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MOLLY TUTTLE & GOLDEN HIGHWAY

Lebendige Tradition

MOLLY TUTTLE & GOLDEN HIGHWAY

Der Sound des Bluegrass begleitet Molly Tuttle bereits ihr ganzes Leben lang. In der Familienband The Tuttles war die heute 30-jährige Amerikanerin schon als Schülerin aktiv, doch es dauerte bis zum letztjährigen Grammy-prämierten Album ´Crooked Tree´, bis sie sich dem Genre auch als Solositin vollends öffnete. An der Seite ihrer Band Golden Highway spinnt sie diesen Faden nun weiter und zeigt auf ihrem neuen Album ´City Of Gold´, wie spannend es klingen kann, wenn man spielfreudig und ohne puristische Scheuklappen Tradition lebendig interpretiert.

Die Entscheidung, ihr Leben der Musik zu verschreiben, ist Molly Tuttle leichtgefallen. Schon zu Schulzeiten beschäftigte sie das Musikmachen praktisch täglich, später besuchte die in der kalifonischen Bay-Area aufgewachsene Künstlerin das renommierte Berklee College of Music in Boston, bevor sie in ihrer derzeitigen Wahlheimat Nashville den Traum von einer Solokarriere wahr werden ließ und gleichzeitig für ihr atemberaubendes Können an Gitarre und Banjo mit Preisen überhäuft wurde und zuletzt auch von Legenden wie dem Gitarrenvirtuosen Tommy Emmauel zu Kollaborationen eingeladen wurde.

„Geholfen bei meiner Entscheidung für die Musik hat sicherlich, dass mein Vater Musiklehrer war“, verrät sie beim Videocall mit der Westzeit. „Als ich beschlossen habe, mich der Musik zu widmen, hörte ich von vielen Leuten, dass das ein wirklich steiniger Weg sei, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und dass ich nie Geld haben würde. Aber ich sah ja, dass es meinem Vater gelungen war, eine Familie zu ernähren, also sagte ich mir: Wenn es mit dem Spielen von Konzerten allein nicht reicht, kann ich immer noch wie mein Dad Musik unterrichten! Klar war aber, dass ich auf die ein oder andere Weise etwas machen wollte, das mit Musik zu tun hat, und das ist der Weg, den ich nach der Schule verfolgt habe."

Obwohl sie während ihrer Schulzeit einen durchaus breit gefächerten Musikgeschmack entwickelte, den auch ´…But I‘d Rather Be With You´ unterstreicht, ihr während der Pandemie veröffentlichtes Album mit Songs aus der Feder von Bands wie den Yeah, Yeah, Yeahs, Rancid oder The National, gehörte ihre erste Liebe doch dem Bluegrass-Sound ihrer Familienband, in der sie schon in jungen Jahren gemeinsam mit ihren Brüdern an der Seite ihres Vaters die Musik dieses vielleicht traditionellsten aller Genres spielte.

„In der Schule habe ich das nicht an die große Glocke gehängt, bis Mumford & Sons auftauchten“, erinnert sie sich lachend. „Als es dann die Runde machte, dass ich Banjo spiele, war das plötzlich cool.“

Trotzdem hat es eine Weile gedauert, bis Molly den Bluegrass in den Fokus ihres eigenen Tuns rückte. Ihre ersten Veröffentlichungen als Solistin, die EP ´Rise´ (2017) und das Album ´When You’re Ready´ (2019), standen eher in der Tradition klassischer Singer/Songwriter des Country und Folk.

„Ich habe mich lange dagegen gewehrt, eine echte Bluegrass-Platte zu machen, bis ich dann ´Crooked Tree´ aufgenommen habe“, sagt sie. „Ich werde mich immer auch anderen Genres widmen, aber Bluegrass ist ein solch großer Teil vom dem, was ich tue! Ich wollte diese Platte machen, weil es sich so behaglich anfühlte, denn ich weiß, wie man diese Art von Songs schreibt, ich weiß, wie man diese Art von Musik spielt."

Anfangs war die Idee, Bluegrass-Songs zu schreiben, nur ein Zeitvertreib während der Pandemie, doch tatsächlich fand Molly so viel Gefallen an den Songs, dass nicht nur ´Crooked Tree´ entstand, sondern nun auch ´City Of Gold´, eine Platte, auf der sie zwar einen etwas weiteren Bogen spannt, im Kern aber dem Sound des Vorgängers treu bleibt.

„Das neue Album ist nicht zuletzt deshalb anders, weil ich ein Jahr Zeit hatte, gemeinsam mit meiner Band auf der Bühne zu stehen“, erklärt Molly die Unterschiede in der Herangehensweise. „Als ich ´Crooked Tree´ aufnahm, hatte ich noch keine Band, ich wusste lediglich, dass ich gerne eine hätte. Damals existierte aber nur der Bandname."

Inzwischen ist Golden Highway aber mit Bronwyn Keith-Hynes an der Fiddle, Dominick Leslie an der Mandoline, Shelby Means am Kontrabass und Kyle Tuttle am Banjo, eine echte Band, die inzwischen über 100 Mal gemeinsam auf der Bühne gestanden hat und dabei auf den Schultern des ´Crooked Tree´-Materials einen eigenen Sound und eine eigene Identität entwickelt hat. War der Vorgänger noch gespickt mit Gastauftritten von Mollys „famous friends“, schaute dieses Mal nur Dave Matthews für einen Song vorbei, und trotzdem ist der Rahmen weniger eng gefasst. „Ich denke, mit den Arrangements schauen wir ein wenig mehr über den Tellerrand“, bestätigt Molly. „Sie sind nicht ganz so geradlinig wie auf dem Vorgänger. Gleichzeitig habe ich mir auch beim Songwriting mehr Freiheiten erlaubt. Das Soundspektrum ist dieses Mal weiter gefasst.“

Textlich widmet sich Molly derweil auch dieses Mal wieder explizit dem Storytelling, nachdem sie zu Beginn ihrer Karriere als Solistin durchaus auch persönlicher gefärbte Confessional-Songs geschrieben hatte.

„Ich kann mir gut vorstellen, für mein nächstes Projekt wieder zu den Confessional-Songs zurückzukehren, weil ich es liebe, Lieder zu hören und dabei wirklich die Person kennenzulernen, die singt“, gesteht sie. „Allerdings gibt es in Bluegrass und Country eine solch lange Historie großartiger Story-Songs, mit denen man ein Einblick in die Geschichte oder in das Leben einer anderen, vielleicht sogar fiktiven Figur erhält. Das ist etwas, was mir an diesen Musikstilen immer sehr gefallen hat. Gillian Welch zum Beispiel schreibt oft Songs, die Geschichten erzählen, dich aber trotzdem fesseln und Bezüge zu deinem eigenen Leben haben. Das ist etwas, das ich auch angestrebt habe. Gillian Welch war eine große Inspiration für die Songs meiner letzten beiden Platten!"

Mit solchen Vorbildern ist auch das Ziel, das Molly mit ´City Of Gold` erreichen will, klar umrissen.

„Ich hoffe, dass das Album dazu beiträgt, den Status meiner Band als etwas zu festigen, zu dem ich immer zurückkehren kann, um Konzerte zu spielen, denn ich möchte eine langlebige Karriere haben“, erklärt sie. „Ich hoffe, das alles hier noch sehr, sehr lange machen zu können, das war schon immer mein Traum!"

Aktuelles Album: City Of Gold (Nonesuch / Warner Music) VÖ 21.07.


Weitere Infos: mollytuttlemusic.com Foto: Chelsea Rochelle


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