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SOPHIE CHASSEE

10.05.2023 Die Wohngemeinschaft, Köln

Manchmal ist es ja doch ganz gut, wenn alles nicht so klappt, wie ursprünglich geplant. Als die ursprünglich aus Mönchengladbach stammende Songwriterin, Musiklehrerin und Gitarrenvirtuosin Sophie Chassée 2021 ihr viertes Album „Lesson Learned“ herausbrachte, war – trotz Pandemie - zwischen ihren unzähligen Aktivitäten immer nur Zeit für einzelne Konzerte. Eine Headliner-Tour war zwar immer mal wieder angedacht, aber dann gab es auch noch ein Zwischenspiel bei dem Bandprojekt Karanoon und als Bassistin in der Band von Allie Neumann und Bass-Sub bei Rea Garvey – und spätestens als Sophie den Job als Bassistin bei der angesagten Deutschpop-Band AnnenMayKantereit angeboten bekam, musste die eigene Tour in die Post-Pandemie-Zeit gebucht werden. Immerhin hat sich das alles für Sophie insofern ausgezahlt, als dass sie sich heutzutage über ein ganz neues Publikum freuen kann. Denn sind wir doch mal ehrlich: Die Art von Musik, die Sophie macht – akustisches „Modern Acoustic Fingerstyle“ - ist doch eher für musikhistorisch gebildete, ältere Connaisseure interessant, als für junge Leute, die Sophie gerade durch ihre Gastspiele entdeckt haben. Sei es drum: Die Kölner Wohngemeinschaft füllte sich bei Sophie’s Solo-Debüt in der Domstadt dann allmählich aber stetig recht gut – nicht zuletzt, weil neben den zu erwartenden altersweisen Musikfans eben auch jüngere Leute und sogar Pärchen den Weg in den Musik-Club fanden. Sophie gefiel das sichtlich und sie bedankte sich auch artig für die entgegengebrachte Aufmerksamkeit. Worum geht es eigentlich? Nun: Sophie Chassée hat sich einem Fingerpicking-Musikstil verschrieben, wie er in den 60er Jahren von Spät-Folkies wie Chet Atkins, Leo Kottke – oder dessen Ziehvater John Fahey – etabliert wurde; hat diesen jedoch für ihre eigenen Bedürfnisse adaptiert. Dieser „Modern Fingerstyle“ genannte Stil äußert sich durch virtuose Grifftechniken, wieselflinkes Saitenstreicheln, beidhändig ausgeführtes Tapping auf dem Gitarrenhals und perkussivem Herumgeklopfe auf dem Gitarrenkorpus mittels dessen sich ganze Band-Arrangements simulieren lassen. Freilich ist das bei Sophie Chassée stets eingebunden in persönlich gefärbtes, autobiographisches Storytelling. Es geht also in dem Fall nicht alleine um die Darbietung handwerklicher Fertigkeiten, sondern um ein klangliches Gesamtkunstwerk. Sophie erklärte das anhand ihres Signature-Tracks „Fleeting“ so, dass sie nicht einfach Songideen im Kopf habe, wenn sie musiziere, sondern gleich immer ganze Arrangements und ausformulierte Sounddesigns und es als ihre Aufgabe betrachte, diese dann mittels ihrer Spieltechnik für den Live-Vortrag zu realisieren. Das Ergebnis sorgt dann regelmäßig für offen stehende Münder – und zwar nicht, weil Sophie hier in rasender Geschwindigkeit und schmerzverzerrtem Gesicht endlose Soli aneinanderreihte, sondern weil sie sich als musikalische Illusionistin betätigt: Der Zuschauer sieht zwar, was Sophie macht – aber er versteht nicht wie sie die unglaublichen Klangkombinationen zustande bringt, die sie ihrem Instrument entlockt. Das alten Bluesern wie Robert Johnson zugeschriebene Klischee – dass sie nämlich alleine klängen, als spielten mehrere Gitarristen gleichzeitig – darf ohne weiteres auch für Sophie Chassée gelten. Anders als etablierte Kollegen wie z.B. John Butler oder der von Sophie verehrte John Mayer hat Sophie indes die Bodenhaftung noch nicht verloren und bleibt songwriterisch auch ganz bei sich selbst; bzw. ihrer Familie. Das Instrumental „The Last Journey Of The Wren“ etwa widmete sie ihrer verstorbenen Oma, die ihr sehr nahegestanden habe und die gerne als Zaunkönig (Wren) wiedergeboren worden wäre – weswegen sich Sophie auch einen Zaunkönig auf den Arm tätowieren ließ und diesen als Intarsienarbeit auf ihrem Gitarrenhals verewigte. Gerade die Idee, die zweifelsohne beeindruckende Virtuosität mit einfühlsamen, emotionalen Songwriting zu verbinden, hebt Konzerte wie diese vom Showcase-Charakter vielleicht etablierterer und berühmterer Kollegen Sophies ab. Da staunt man nicht nur, sondern genießt obendrein. Auch die jüngeren Leute – und das ist ja auch gut so.




Juni 2023
AUGN
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SOPHIE CHASSEE
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