WEYES BLOOD

Der Ort für das seit Wochen restlos ausverkaufte Gastspiel von Natalie Mering alias Weyes Blood in Köln hätte nicht besser gewählt sein können. Ihre gespenstisch anmutenden Songs im Dunstkreis von verwaschenem Psych-Folk und nostalgischem Soft-Rock erstrahlen schon auf Platte in geradezu sakralem Glanz, sie live in einer Kirche hören zu dürfen, ist dagegen eine einmalige Erfahrung, die das Publikum gleichermaßen fesselt und entzückt. Tatsächlich wirkt die so ungemein charismatische amerikanische Ausnahmemusikerin fast ein wenig wie eine religiöse Ikone, als sie gehüllt in ein bodenlanges, weißes Kleid mit Umhang und sanft von hinten beleuchtet vor ihre Gemeinde tritt, um mit ihrem augenzwinkernd theatralischen Bühnengebaren (ein illuminiertes Herz unter ihrem Kleid und ein „dramatischer“ Sprung vom Schlagzeugpodest inklusive) und selbstironischem Humor („Unsere satanischen Lieder spielen wir später draußen auf dem Parkplatz“, verrät die streng religiös erzogene Musikerin mit Blick auf ihren Auftrittsort) alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Doch obwohl man spürt, dass der alltägliche Wahnsinn unserer Gegenwart schwer auf Merings Schultern lastet, klingen ihre Songs stets warm und einladend und erfüllt von einem schwer in Worte zu fassenden Gefühl der Spiritualität, das sich an diesem Abend in der Kulturkirche bis in die letzte Ritze ausbreitet. Den Szenarien einer drohenden Apokalypse, die den Kern des aktuellen LP-Meisterwerks ´And In The Darkness, Hearts Aglow´ bilden, nimmt das ein wenig den Schrecken, zumal die musikalische Performance einfach phänomenal ist. Mit Merings makellos schöner Alt-Stimme als emotionalem Anker interpretieren die vier Musikerinnen und Musiker Songs wie den famosen Opener ´It´s Not Just Me, It´s Everybody´, ´Children Of The Empire´, ´Andromeda´ oder das bei der Zugabe besonders hell strahlende ´Everyday´ auf der Bühne mit spielerischer Leichtigkeit noch intensiver, dynamischer und gefühlsechter als in den hinreißend opulenten Studioversionen und sorgen so für ein „Larger than life“-Konzerterlebnis, das niemand im Saal so schnell vergessen wird.

©1996-24  WESTZEIT | 2023.03.01 | Autor: Carsten Wohlfeld | › kontakt › impressum › datenschutz | › Besuche uns auf Facebook