(Kopf & Kragen, 256 S., 24,00 Euro)
Der junge Berliner Verlag mit dem lustigen Namen kann nicht nur PolitikSatire (vgl. das Parteiprogramm der AIPD "Freiheit durch Unterwerfung"), sondern auch Literatur. Der Roman des in Brazzaville (Kongo) geborenen Autors versteht sich als Umweltthriller, als verwunschene Liebesgeschichte, als politische Anklage und Hymne an ein naturnahes, spirituelles Leben zugleich. Ganz schön viel Botschaft, könnte man denken und tatsächlich gelingt es N’Sondé auch nicht immer, zwischen Agitation und Kunst (s)einen wirklichen Weg zu finden. Kurz zum Inhalt: Der Nenze Num hat spät, aber eben doch zum SchamanenSein (zurück) gefunden und entdeckt im tauenden sibirischen Permafrost ein (ich darf den Klappentext zitieren) "über 10.000 Jahre alte(s), prunkvolle(s) Grab einer Schwarzen Frau." und fragt sich sogleich "War sie eine Königin? Unser aller Urmutter?" Sowohl der Fund des Grabes an einer Flußbiegung wie auch dessen Ausstattung werden sehr knapp beschrieben (nach den ersten 8 Seiten ist dazu alles gesagt), für N’Sondé ist der SubText dieser Entdeckung wichtig ("Haben die sibirischen Völker der Jamal-Halbinsel womöglich Vorfahren aus Afrika?") und der Umstand, dass russische Oligarchen bzw. deren skrupellose Handlanger ebendort große Erdgasvorkommen vermuten und diese schnellstmöglich in bares Geld verwandeln wollen. Nur eine sofortige Sensibilisierung der Weltöffentlichkeit kann die Bohrtrupps stoppen, deshalb muß der Schamane einen alten Freund haben, der zufällig Wissenschaftler ist und in Windeseile für die anstehende, privat finanzierte Expedition ein kleines Team aus wiederum mit ihm befreundeten KollegInnen zusammenstellen kann. Das Trio aus diesem französischen Zoologen, einer deutsch-japanischen Ärztin und einem kongolesischen Anthropologen reist sich streitend nach Sibirien und sucht dort nicht nur die "Frau des Himmels und der Stürme" (bzw. deren Grabstätte), sondern auch den Frieden mit sich selbst, mit der Natur und überhaupt allem. Zwei (oder doch drei?) suchen gar die Liebe. Naturwissenschaftlich-archäologische Geister werden sich mehr als einmal sehr wundern: woran erkennt ein fachfremder Nomade, dass es sich bei den Überresten in der aufbrechenden Grabstätte um die einer Frau handelt? Wenn nach 10.000 Jahren (Ötzi ist knapp halb so alt!) auf den ersten Blick tatsächlich noch Haut zu erkennen ist, kann ein Laie die sofort als "schwarz" im Sinne von subsaharisch identifizieren? Woher weiß Num eigentlich, dass die Tote vor 10 Jahrtausenden bestattet wurde? Trug man als "Königin" in der Mittelsteinzeit wirklich einen silbernen Brustschmuck (das beschriebene Elfenbeinzepter passt da schon besser)? Egal, es geht wie gesagt um die Botschaft. Die ist zwar oft ebenso holzschnittartig wie die CharakterZeichnungen der RomanHelden (russische Ölmagnaten sind böse, der edle Nenze naturverbunden, die junge Hamburger Forensikerin emotional verletzt, der Anthropologe in einer Lebenskrise und der Expeditionsleiter Opfer seiner Altersgeilheit), dadurch aber nicht zwingend verkehrt: Was ist der Preis unseres Hungers nach fossilen Rohstoffen? Welche Brüche erfahren die Leben der indigenen Bewohner durch das Vordringen der "Zivilisation"? Haben wir den Zugang zu unseren (afrikanischen) Wurzeln verloren? Und neben auch sprachlich eher schwachen Passagen finden sich in diesem Buch eben doch Momente schierer Schönheit und Ausdruckskraft – etwa in der Beschreibung von Naturschauspielen, von Nums MeditationsErfahrungen oder der Angst und Verzweiflung beim einsamen Suchen in der Kälte der ewigen Nacht. Also: die "Afrikanerin der Arktis" ist als Gleichnis gelungen, als Roman nur zum Teil.Weitere Infos: www.kopfundkragen-verlag.de/frau-des-himmels-und-der-stuerme
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