(Voland & Quist, 270 S., 26,00 Euro)
Ahne ist ein Ur-Ahn(e) der Berliner Lesebüh... - nee, das ist semantisch falsch und als Kalauer selbst mir zu doof. Also nochmal neu: Ahne ist ein Berliner, einer der schreibt – ihr kennt ihn entweder von der "Reformbühne Heim & Welt", von "Radio eins" oder eben von einem seiner tollen Bücher (z.B. dem in WZ 12/19 besprochenen). Jetzt hat er seine Autobiografie zu Papier gebracht, jedenfalls die Jahre von 1968 (da wurde er am 5. Februar geboren) bis 1989 (da brach im Herbst die DDR in sich zusammen) – wir haben es also mit einem Text zum nicht unkomplizierten Thema "Aufwachsen in der Ostzone" zu tun. Ahne bleibt uns aber – gottlob! - nichts schuldig: er bekennt freimütig, dass ihm als Grundschüler die Unterstützung des Freiheitskampfes der unter dem Joch des Kapitalismus ächzenden Völker ein großes Bedürfnis war. "Der Sozialismus, er musste unbedingt gewinnen." Das aufgesetzt Statisten-hafte fähnchenschwingender Kindergartengruppen blieb ihm ebenso verborgen wie die desillusionierende Erfolglosigkeit der Protestbriefe an Pinochet; zum einen dank der Überzeugungskraft seiner heimlichen Liebe (der "schöne(n) Klassenlehrerin Frau Schulz") und zum anderen, weil sich Klein-Ahne ohnehin meistens in eine hochkomplexe Parallelwelt flüchtete. Dort führte er wahlweise Spanienkämpfer oder tapfere Indianer an, es "ging alles leichter als in Karlshorst". Einen ganzen eigenen Kontinent zaubert sich der Heranwachsende herbei: in "Ahnerka" ("wild und menschenleer") lassen sich die Fehler der Realität leicht korrigieren. Während diese Kopfwelt immer komplexer wird, plätschert Ahnes Leben eher dahin – vor allem körperlich bleibt er ein Spätentwickler, der sich selbst für schwul und fürs Leben untauglich hält. Mit der Lehre (Offsetdrucker – allein die Beschreibung, wie es zu dieser Berufswahl kommt, ist schlicht köstlich!) kommen aber doch einige Erweckungserlebnisse: coole Kumpels ("Punk und Pogo"), irgendwann und irgendwie auch Frauen (die meistens Melanie heißen), zur Armee muss Ahne auch und wird nach 18 Monaten und 10 Tagen entlassen: "Frühjahr 1988. Ich war frei. So frei wie ein Karpfen, den sie von einem Aufzuchtbecken ins andere schwimmen ließen." Dann kommt und geht die Liebe. Und schließlich auch die DDR – nicht nur in der Beschreibung der Stimmung im Sommer/Herbst 1989 erkenne ich auch meine seinerzeitlichen Befindlichkeiten oft wieder. Keine Ahnung, wie es Ahne dabei gelungen ist, seine Erlebnisse derart präzise zu speichern - ich jedenfalls könnte mich niemals so detailliert an Dialoge mit Lehrmeistern oder Armeekameraden erinnern. Aber ein wenig kommt hier vielleicht auch die berühmte künstlerische Freiheit zu ihrem Recht. Auf jeden Fall ist dieser Blick in den Rückspiegel eine gelungene, oft sehr witzige, an diversen Stellen aber auch von einer tiefen Melancholie durchwirkte Beschreibung einer gar nicht so untypischen Jugend in der DDR. Und nicht nur deshalb sollte "Wie ich einmal lebte" auch möglichst viele Leser finden, die auf der bunten Seite der Mauer aufgewachsen sind (oder ganz ohne - auch die können hier durchaus was mitnehmen!).Weitere Infos: www.ahne-international.de
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