(Insel Verlag, 218 S., 23,00 Euro)
Sarah ist eine 16jährige Französin und wohnt in Casablanca. Aber nicht im Villenviertel Anfa, sondern mit Blick auf eines jener Barackenlager, in denen die blanke Armut regiert - nur ein Drahtzaun trennt Sarah und ihre nicht sehr charakterstarke Mutter von der sozialen Endstation. Die Seifenopern geben das LebensZiel vor: wenn es die Heldin in "Marimar" bis in einen Palast schafft, sollte doch auch Sarah ihre Schönheit in gesellschaftlichen Aufstieg investieren können. Dies erscheint ihr zumindest weniger riskant als der von der Mutter gewählte kleinkriminelle Weg (die bestiehlt ihre häufig wechselnden Liebhaber). Erste Versuche verlaufen vielversprechend, die liebesblinden Jungs finanzieren für einen Kuss (und manchmal auch etwas mehr) Sarahs mittelprächtiges Leben. Ein Leben, in dem eine kalte Fanta ein Höhepunkt ist. Aber den wirklich großen Schritt, den in die Welt der "Reichen", hat sie schon geplant. Sie will den motorradfahrenden Einzelgänger Driss erobern. Der Sohn eines wohlhabenden TextilFabrikanten hat scheinbar alles: umsorgt von Hausmädchen und Gärtnern lebt er bei seinen Eltern in einer der Villen auf den Hügeln Anfas. In Sarahs Augen ist Driss "so reich wie der König" und deshalb ganz ungeachtet seines eher unattraktiven Aussehens genau der Richtige für Sarah. Über einen Haschisch und andere Nettigkeiten dealenden Kumpel gelingt ihr der Sprung in eine Clique, die durch die besseren Clubs der Stadt zieht und jointsrauchend PoolParties feiert und so auch die Bekanntschaft mit Driss. Und tatsächlich flammt bald so etwas wie Liebe zwischen den beiden auf, Driss teilt mit Sarah sein ganz anders gearteten Sorgen: eine von ihm verantwortete Großlieferung Jeans nach New York wird nicht bezahlt! Auch die LiebesFreuden bleiben nicht folgenlos, als Sarah schwanger wird, glaubt sie sich am Ziel. Doch die Familie ist stärker als Driss, beim Hammelschlachten nach dem Ramadan macht Driss’ Mutter der nicht standesgemäßen Möchtegern-Schwiegertochter klar, was nun passieren wird. Die Mutter ist kein Unmensch: Sarah muss ihr Leben nicht auf dem schmutzigen Tisch einer Engelmacherin riskieren, sondern bekommt 10.000 Dirham für eine "Blinddarmoperation" angeboten. Ob die Liebe stark genug ist für all die Klassenunterschiede bleibt am Ende offen – auf den Klippen zwischen Bedouzza und Safi überlegen Driss und Sarah, ob ein Sprung nicht alle Probleme lösen könnte. Was nach einer rührseligen Geschichte zwischen "Aschenputtel" und "How to marry a Millionaire" klingt, ist eine sehr präzise Schilderung der sozialen Verwerfungen im Marokko der 90er/00er Jahre. Von der Perspektivlosigkeit der Jugend bis zu den opulent-brachialen Ritualen des Opferfestes – Abigail Assor beschreibt die Dinge mit einer ebenso poetischen wie messerscharfen Sprache, analysiert die Ursachen und Antriebe der Protagonisten sehr genau und macht so dieses Buch zu einem echten Erlebnis zwischen Anmut und Härte.Weitere Infos: www.suhrkamp.de/buch/abigail-assor-so-reich-wie-der-koenig-t-9783458642848
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