MIKAEL LIND lebt in Reykjavik, was vielleicht ein wenig erklärt, weshalb seine verträumten Piano/Elektronik-Eskapaden weltentrückt und gegenwärtig zugleich erscheinen. "Intentions And Variations"(Morr/Indigo) ist schwer zu greifen, steht wie Saties "Möbelmusik" dezent und präsent im Raum und vermag doch viele dunkle Abende zu verschönern. 3 Wesentlich düsterer, fast schon bedrohlich sind die subfrequenten Träume aus Rauschen und Sirren, aus Pochen und Zischen, die Samuel van Dijk aka. MULTICAST DYNAMICS auf "Outer Envelopes"(Denovali/Cargo) auslebt. Das platitudensatte Geschwurbel des Infos erspare ich euch, den technoid-somnambulen, zumeist extrem verlangsamten DarkAmbient dieser CD kann ich aber unbedingt empfehlen. 4 Musikalisch diametral, inhaltlich aber auch recht dunkel ist der "Blues Of Desperation"(Provogue/Mascot/RTD) von JOE BONAMASSA. Mit Bluesrock kann ich noch immer wenig anfagen, hier schwingt neben all dem "kraftvoll-ehrlicher-Americana-Scheiß" aber doch irgendwas in der Altherrensuppe, das das Zuhören lohnt. 3 Eine fette Prise Soul mischen GREYHOUND in ihren Blues. Nicht nur äußerlich sind die beiden Herren aus Austin ziemlich retro unterwegs, auch die Produktion von "Change Of Pace"(Ardent Music/Red Eye) schwelgt in Remineszensen an die gute alte Zeit. 3 LAIL ARAD lebt in London und weil sie auf "The Onion"(The Vinyl Factory) mit "1934 (A Song for Leonard Cohen)" singt, hat sie schon mal meine Sympathie. Völlig zu recht, wenn man die restlichen 10 mit leichter Hand und Kehle zur Gitarre dahingeträllerten Lieder hört. In dieser Form darf SiSo-Musik gern in meinen CD-Player. 4 SETH BOGARTH hingegen setzt eher auf trashige Synths und scheppernde drummachines. Sein "s/t"-Album(Burger Rec./Red Eye) arbeitet sich mit lustiger und gar nicht so einfallsloser ElektroPopMusik an den 80ern ab, inkl. Micky-Mouse-vocoder und anderen Gimmicks aus staubigen Schaltkreisen. 3 NICK AND THE ROUNDABOUTS möchten "Never Home"(My Redemption/Cargo), sie schrammeln lieber im Geiste von Mumford & Verwandschaft auf ihren Klampfen, sind - wie die ganze Mischpoke - im Grunde die leichenfleddernden Erben von Dylan & Young. 2 Als eine Art "Motivationsradio-Version" solcherlei AmericanaFolkPops können JEREMY LOOPS gelten. "Trading Change"(Jermy Loop/Kartel/Indigo) müsste man allerdings eher unter AfricanaFolkPop subsummieren, denn hier dringen gelegentlich die Einflüsse aus der südafrikanischen Heimat der Band durch den Mundharmonika-ShuffleDrum-Banjo/Gitarren-Sound. Wohlfühlmugge mit dezenter politischer Botschaft, für mich aber etwas zu "emotional" und sonnenscheingetränkt. 2 Da finde ich den a-capella-Gesang der ebenfalls aus Südafrika kommenden AFRIKA MAMAS auf deren "s/t" CD(ARC Music) spannender. Traditionelles wechselt mit Gospel, aber auch der Alltag dieser von 7 alleinerziehenden Müttern gebildeten Band (oder besser Chor?) findet in den Texten Widerhall. 4 Der Libanese ABAJI wurde im Zuge der "Desert Blues"-Welle bekannt und hat sich für sein neues Album "Route & Roots"(Absilone/Gallileo MC) den armenischen Duduk(eine Art Flöte)-Spieler Vardan Grigoryan und den Kurden Mahmut Demir mit seiner Kabak-Kemane (Kürbisgeige) eingeladen. Politik spielt hier nur unterschwellig eine Rolle, man konzentriert sich auf altüberlieferte Tonleitern, inspirierte Improvisationen und betörenden Gesang. 4 Keine Ahnung warum (oder vielleicht doch?) - aber die traurigen Tiefpunkte dieses Monats kommen aus Dland. Während "Into The Wald - There Will Be Blatt"(intono/RTD) von KOLLEKTIV21 wenigstens noch einen witzigen Titel hat (die Musik der "7 Rock-Pop-Poeten aus Hamburg" ist so scheußliches PseudoSoulPopJaulen, dass ich hier lieber nichts weiter dazu sagen möchte), leiden BASTA FOU aus Flensburg unter starken (Selbst)Wahrnehmungsstörungen. Sie halten die Klänge auf "Kerzenblau"(Fuego) für "lyrisch-chansoneske(n) Meta-Folk", dabei hätten sich wohl selbst die schlimmsten der 70er-DDR-Rockmusikanten für derlei Gruselkram geschämt. Für beide zusammen gibt’s 1 Wertungspunkt und die besten Genesungswünsche!
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