Wenn man es sich einfach machen würde, könnte man sagen, dass The National aus New York so etwas sind wie die US-Fraktion des Tristesse-Genres, das in Europa durch Acts wie The Tindersticks besetzt wird. Man sollte es sich aber besser nicht einfach machen, denn das tut die Band um Songwriter/Sänger Matt Berninger schließlich auch nicht. Mit ihrem letzten Album, „Alligator“, schaffte die Band so etwas wie den Durchbruch. Sie lösten sich von vorher vorhandenen Americana-Elementen und spritzten eine ordentliche Prise Rock ins Geschehen. Doch anstatt einfach auf dieser soliden Basis aufzusetzen und etwa in dieser Richtung weiter zu machen, kommt nun, mit „The Boxer“ eine erneute stilistische Kehrtwende – oder besser: Weiterentwicklung.
Der Name „The Boxer“ kommt dabei daher, dass viele von Matts Charakteren hier wie in einem Boxring um irgend etwas kämpfen oder zumindest versuchen, sich zu behaupten – in etwa wie die Band selber das auch tut. Musikalisch werden hier die Songstrukturen aufgebrochen. Es gibt geschickt gestaffelte Arrangements mit allerlei Zutaten von Bläsern bis zu Mandolinen und eine Rock-Scheibe ist „The Boxer“ auch nicht mehr. Obwohl es keinen Masterplan gibt, ist diese Entwicklung jedoch kein Zufall, wie uns Matt erklärt:„Der einzige Plan war, uns nicht zu wiederholen und nicht ein zweites ‚Alligator‘ zu machen“, erklärt er ziemlich bestimmt „obwohl das unsere erste richtig erfolgreiche Scheibe war. Es hätte also Sinn gemacht, etwa in der Art zu machen – aber damit wären wir mit Sicherheit nicht zufrieden gewesen. Was wir genau machen wollten, wussten wir vorher auch nicht. Wir wollten die Songs sich selber entwickeln lassen. Wir hatten – ehrlich gesagt – bis zum Ende selber keine Ahnung, wohin das führen würde. Das sollte aber auch so sein. Wir mögen es nicht, mit Blaupausen und Visionen zu arbeiten.“
Das heißt: The National zählen zu jenen Musikern, die sich selber gerne überraschen. Gab es Referenzen für diese Methode?
„Ich bin sicher, dass es die gibt, obwohl ich jetzt gar nicht sagen könnte, was sie genau wären“, meint Matt „wir haben die Songs auseinander genommen und auf viele verschiedene Arten wieder zusammengesetzt. Wir haben nach der Seele des Songs und dem inneren Geist gesucht.“
Nun klingt die Sache dabei mittlerweile immer unamerikanischer. Das ist dann wohl der National-Stil, oder?
„Ich weiß gar nicht, was unser Stil ist“, überlegt Matt „wir haben so oft herumanövriert, dass ich das gar nicht mehr weiß. Wir möchten aber nicht mit Labels wie ‚amerikanische Band’ oder so etwas arbeiten – obwohl sie manchmal Sinn machen können. Jeder Song hat hoffentlich sein eigenes Leben.“
Kann es sein, dass bei diesem Prozess ein wenig des subtilen Humors auf der Strecke blieb, der bislang die National Songs auszeichnete?
„Du meinst es gäbe weniger zu lachen?“ fragt Matt zurück „sagen wir mal so: Die ‚The Boxer’ ist zurückhaltender. Vieles ist nicht so offensichtlich wie bislang. Es ist auch nicht so absurd und mehr abstrakt. Ich denke, diese Scheibe ist ein wenig weicher, harmloser ist und das war beabsichtigt. Diese Scheibe ist wie eine offene Tür, in die jeder eintreten kann – im Gegensatz dazu, dass etwa die Scheibe auf den Zuhörer zukäme. Es gibt Scheiben, die zu Dir singen – diese Scheibe ist aus irgend einem Grund aber mehr wie eine Einladung geworden. Sie ist dabei subtiler geraten als unser bisheriges Material.“
Für Freunde anspruchsvollen, melancholischen Gitarrenpops haben The National mit „The Boxer“ jedenfalls einen neuen Meilenstein gesetzt.
Aktuelles Album: The Boxer (Beggars / Indigo)
Foto: Abbey Drukker