Die Hoffnung ist zurück. Und sie trägt den Namen Kettcar. Die Band aus Hamburg schafft es auch mit ihrem neuen Album, dass wir uns vor Begeisterung "we’re gonna live forever" auf die Oberschenkel tätowieren.
Denn "von spatzen und tauben, dächern und händen" ist wieder ein melodisches Meisterwerk. Ergreifend und erhebend. Laut und leise. Zusammen in perfekter Harmonie. Text und Musik ergänzen sich noch besser als beim Debüt. Alles scheint wohlüberlegt und lebt doch von einer umwerfenden Einfachheit. So klingt Musik, die nie aufhört. Hinter all der Melancholie, die sich auch auf der neuen Platte wieder findet, schimmert der warme Schein von Hoffnung und Zuversicht. Vielleicht ist das der wichtigste Grund, sich diese Musik zu Herzen zu nehmen.Westzeit: Ein mutiger Schritt, "48 Stunden" als erste Single heraus zu bringen.
Reimer Bustorff: Ja, aber wir lieben den Song, er ist einer der stärksten der Platte. Außerdem haben wir uns gedacht, wir probieren es mit einer ruhigeren Nummer, die selbst Kettcar-Fans aufhorchen lassen wird. Wobei dies eigentlich ein typischer Kettcar-Song ist. Okay, als Single vielleicht etwas ungewöhnlich.
Westzeit: Wie kommt ihr denn mit dem was Marcus an Songs anbringt zurecht? Diskutiert ihr seine Texte?
Marcus Wiebusch: Es ist nicht so, dass ich alles alleine gemacht habe. "Einer" ist beispielsweise weitestgehend eine Band-Komposition. "Nacht" hat Erik im wesentlichen geschrieben und "Die Wahrheit..." ist von Reimer. Ich erinnere mich an eine Diskussion, bei der die Band "Stockhausen, Bill Gates und ich" kritisch hinterfragte, weil dieses Stück textlich völlig anders ist als alles, was wir zuvor gemacht haben. Es gab Stimmen, die meinten, wir könnten so was nicht machen, weil es offensichtlich Nonsens ist und wir bisher durch Bedeutung oder Ernsthaftigkeit überzeugt haben. Wir haben letztlich gemeinsam entschieden, den Song auf das Album zu nehmen.
Reimer Bustorff: Ich finde es auch wichtig, eine andere Seite von uns zu präsentieren. Wir sind auch nur Menschen und es muß nicht immer alles herzzerreißend sein oder enormes Identifikationspotential bieten.
Westzeit: Aber es scheint so zu sein, dass Kettcar auf einer sehr emotionalen Ebene funktionieren. Vor allem auch die Konzerte, deren Mitsing-Faktor schon an Stadionrock heranreicht und bei denen das Publikum vom Alter her sehr gemischt ist.
Marcus Wiebusch: Es ist wohl so, dass ein Stück wie "Balkon gegenüber" einem 20jährigen genauso viel bedeuten kann wie einem Mitt-Dreißiger.
Westzeit: Welche Musik bewegt euch denn oder läßt euer Herz schneller schlagen?
Marcus Wiebusch: Ich weiß natürlich jugendliche, ungestüme Bands sehr zu schätzen, aber mir ist mittlerweile abgeklärtere Musik deutlich näher, weil sie natürlich auch meinem Leben eher entspricht. Mir sind Künstler wie Elliot Smith oder Bright Eyes sehr wichtig. Ich merke, dass ich mich zunehmend für Singer/Songwriter interessiere und immer mehr Abstand von Halli-Galli-Musik nehme.
Westzeit: War es für dich Marcus schwierig als frischgebackener Familienvater die Zeit für das Songwriting zu finden?
Marcus Wiebusch: Die Songs sind weitestgehend vor der Geburt meines Sohnes entstanden. Im Grunde ist Kreativität heute für mich eine Frage von Konzentration und Zeitmanagement. Ich war glücklicherweise nie der Typ, der monatelang an seinen Stücken herumgefeilt hat. Wir erfinden ja musikalisch nicht das Rad neu, wie beispielsweise eine Band wie Radiohead. Wir spielen einfach Popmusik mit klassischem Songaufbau. Und doch gibt es da draußen keine deutsche Band, mit der man uns vergleichen kann.
Westzeit: Und diese Band könnte dein bester Freund werden. Du mußt sie nur zu dir nach Hause einladen.
Aktuelles Album: von spatzen und tauben, dächern und händen (Grand Hotel van Cleef/Indigo)
Weitere Infos: www.kettcar.net