Was haben Schnappi, das kleine Krokodil, und Moby gemeinsam? Sie verfolgen beide das ökonomisch erstrebenswerte Ziel, mit geringem Kapitaleinsatz den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Und was beide umso sympathischer macht: sie tun es nicht mit Absicht. Als die Tante der kleinen Joy das Lied vom Krokodil schrieb, dachte sie gerade mal an einen kleinen Animationsfilm bei der Sendung mit der Maus. Und als Moby 1997 nach seinem kommerziellen Desaster „Animal Rights“ anfing, in seinem Schlafzimmer an seinem neuen Album zu arbeiten, hätte er sich nie träumen lassen, dass „Play“ letztendlich 10 Millionen Einheiten verkaufen und ihn zwei Jahre lang auf Tour schicken würde.
Das 1999 veröffentlichte „Play“ machte ihn endgültig zu einem international gefeierten Superstar. Der unglaubliche Erfolg dieser Platte wurde noch dadurch gekrönt, dass jedes ihrer Stücke für kommerzielle Zwecke weiterverwendet wurde.Was war nun das Besondere an Moby? Was hatte er ab „Play“, das er nicht schon Anfang der 90er hatte? Moby ist mit seinen christlichen Grundsätzen schon immer offensiv umgegangen und seine Booklets enthalten ellenlange Essays über Religion und Vegetarismus. Auf „Play“ fing er an, alte Gospel-Vocals zu samplen und mit seinem naiven Electropop zu kombinieren. Er hatte also angefangen, seine Überzeugungen nicht nur den Inhalt seiner Musik bestimmen zu lassen, sondern auch die Struktur. Es war demnach die tiefe Spiritualität seiner Musik, die tatsächlich die Herzen der Menschen erreichte.
Dieses Konzept setzte er 2002 mit „18“ fort. Und wäre nicht zeitgleich die lächerliche FDP-Kampagne gleichen Namens gewesen, hätte „18“ garantiert mehr als 4 Millionen Mal verkauft werden können. Aber so war man als Musikkonsument verständlicherweise verunsichert, als Guido Westerwelle Moby CDs verschenkte. Denn dass auch „18“ heilende Kräfte hatte, konnte man daran erkennen, dass Moby die böse Macht der Böhsen Onkelz brach und die Frankfurter Rechtsrocker von der Chart-Poleposition vertrieb – das Gute hatte wieder gesiegt.
Und 2005?
Moby ist immer noch ein alter (er wird am 11. September 40) Sparfuchs. Für die Aufnahmen musste er nur zwei Leute bezahlen: die Sängerin Laura Brown und den Schlagzeuger Scott Frassetto. Für den Rest hat der Meister selbst gesorgt, denn für sein fünftes Album „Hotel“ hat er erstmals komplett auf Sampling verzichtet; alle Instrumente selbst eingespielt und die meisten Songs selbst gesungen. Wenn auch nicht immer zu seiner vollsten Zufriedenheit: „Bei ‚Love Should’ habe ich gespürt, dass meine Fähigkeiten als Sänger begrenzt sind. Ich habe mir gewünscht, irgendein großer Hollywoodproduzent würde kommen und das Stück mit einem 70-köpfigen Orchester aufnehmen.“
Kein Sampling bedeutet auch, keine Gospel-Referenzen mehr. „Hotel“ orientiert sich in seiner Klangästhetik vielmehr am britischen Postpunk der späten 70er. Seine Leidenschaft für diese Ära brachte er schon vor über zehn Jahren mit seiner Coverversion von Joy Divisions „New Dawn Fades“ zum Ausdruck: „Als Jugendlicher war ich besessen von der Musik von New Order, Joy Division oder David Bowie. Die Cold Wave zwischen 1979 und 1983 hat mich extrem fasziniert, und auch nach all den Jahren bin ich immer noch ein großer Fan dieser Ästhetik. Das war Tanzmusik, die sich durch geradezu schmerzhaft emotionale Qualität auszeichnete. Bei vielen der Songs auf ‚Hotel’ hatte ich die Sisters Of Mercy, Joy Division oder New Order im Hinterkopf.“ Dazu passt, dass Moby eine Rolle in Deborah Curtis’ Filmprojekt über das Leben ihres Mannes spielen soll – mit Jude Law als Ian Curtis.
Seine Überzeugungen als Vegetarier vertritt Moby mittlerweile übrigens nicht nur argumentativ, sondern ist seit 2002 auch Besitzer des Restaurants „Teany“ in NYC. Wenn der Teeverkauf weiter gut läuft, könnte es sein, dass er beim nächsten Album fünfe gerade sein lässt und sich zwei Monate bei Mark Bell einquartiert. Wer weiß.
Aktuelles Album: Hotel (Mute/EMI)
Weitere Infos: www.moby.com