Die ganze Passion, die das Rotterdamer Quintett Face Tomorrow in ihr zweites Album gesteckt hat, ist auf diesem auch wirklich hörbar. War das Debüt noch wutentbrannt und mit deutlichen Hardcore-Roots versehen, ist die Entwicklung dieser Band schon fast unglaublich. Sicher mag man der Einfachheit halber gerne die Emo-Schublade aufreissen und die Band neben anderen nichtssagenden Kapellen locker verstauen, aber hier geht es um mehr, denn so ganz passen die Holländer nicht hinein. Nee, is klar! Bevor der Verdacht entsteht, es würde sich hier um einen schleimerischen Promo-Text handeln: die Band befindet sich auf dem richtigen Weg und hat sicher noch lange nicht ausgelernt, wie auch Gitarrist Marc Nolte findet.
„Wir sind als Band stetig gewachsen und haben sicher noch nicht alle Ziele erreicht, die wir uns gesteckt haben. Dieses Album ist eigentlich nicht mehr als ein weiterer Fußabdruck auf dem Weg dorthin. Dafür ist alles viel zu dynamisch.“Die Anfänge in der Punk- und Hardcore-Szene haben sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, die Band so weit zu bringen und ihr ihren eigenen Sound zu verpassen, ein Ende dieser Evolution ist jedoch nicht abzusehen.
„Der interessanteste Teil ist eigentlich, dass wir zu keinem Zeitpunkt wussten, wo das alles hinführen würde. Uns war wichtig, dass es etwas war und ist, das wir wirklich als etwas ureigenes bezeichnen können. Am Anfang waren die Grenzen klar durch das Genre, das wir für uns gewählt haben, gesteckt, heute machen wir Musik ohne Limits.“
Die Kontrolle haben sie dabei nie verloren, zeichnen sich die 5 Mittzwanziger doch selbst für Management und Booking verantwortlich. Ein schmaler Grat, der mitunter auch viel Energie kostet.
„Es wird immer aufwändiger, damit es funktioniert. Mein ganzer Tagesablauf besteht aus Face Tomorrow, ob nun auf kreativer Ebene oder eben organisatorisch. Inzwischen haben wir aber auch vielfältigere Möglichkeiten erhalten und haben eine Menge Leute, die uns außerhalb Hollands sehr gut weiterhelfen.“
Wenn das drumherum stimmt, ist der kreative Part auch angenehmer zu gestalten. Sicher auch ein Grund, warum der neue Sound der Band noch besser steht.
„Wir sind mit einem festen Bild vom Klang der neuen Platte ins Studio gegangen. Meistens weicht man sehr schnell von dieser Ideallinie ab, aber wir konnten all den kleinen Versuchungen und Knöpfen, mit denen man doch große Veränderungen erzielen kann, widerstehen.“
Und doch ist der Detailreichtum verblüffend, denn wie so oft, steckt dort der Teufel drin.
„Die Ideen standen größtenteils. Auf unserem ersten Album wollten wir möglichst viel Live-Feeling konservieren, was darin resultierte, dass wir die Basics in nur zwei Tagen stehen hatten. Dennoch entsprach das im Nachhinein nicht unserer Vorstellung, denn live erhält die ganze Sache doch immer noch eine weitere Dimension, die man nicht auf Platte einfangen kann. Also haben wir darüber nachgedacht, wie man den Songs noch ein gewissen Extra an Tiefe zugeben kann, ohne, dass es zu aufdringlich wirkt und auch nicht den Song verändert.“
So verwundert es auch kaum, dass trotz vermeintlich trauriger Stimmung stets ein Hoffnungsschimmer durchscheint.
„Alle Songs handeln von Erfahrungen. Man kann sich schnell über Dinge aufregen und negative Emotionen leicht bündeln, wir versuchen aber, dies nicht einfach zu beschreiben, sondern suchen nach Lösungen, Antworten und Wegen, die nun mal in der Zukunft versteckt liegen und nicht schon Geschichte sind.“
Aktuelles Album: The Closer You Get (Reflections/Soulfood)
Weitere Infos: www.facetomorrow.net Foto: Arjen van de Merwe