Seit knapp einem Monat ist es auf dem Markt: „Geräusch“, das erste Studio-Doppel-Album von Bela, Farin und Rod. Eine fantastische Scheibe, die musikalisch abwechslungsreich, aber dennoch im unverwechselbaren Die Ärzte-Stil erschaffen wurde. Die Single-Auskopplung „Unrockbar“ wird bei den Musikkanälen und Radiosendern seitdem rauf und runter gespielt. Selbstverständlich steht auch die dazugehörige Tour auf dem Programm: „Unrockstar“. Sie sind also wieder voll präsent, die drei humorvollen Herren auuus Berlin. Beim Treffen mit Rod erklärte dieser nicht nur, warum er in seinen Texten auf solch unübliche Song-Themen wie künstliche Darmausgänge und Intimpiercings zu sprechen kommt, sondern plauderte auch über die Hintergründe der Album-Produktion.
„Ich finde es ganz schlimm, wenn Leute beim Essen über ihre Krankheiten erzählen. Ich glaube, es ist für jeden nachvollziehbar, dass ich es dabei nicht gerade als angenehm empfinde, von jemandem etwas über seinen künstlichen Darmausgang oder die letzte Gallenstein-Operation erzählt zu bekommen.“ Die Inspiration für den Text „Dinge von denen“ rührt also tatsächlich aus dem wahren Leben eines Punkrockers. „Der Song bezieht sich aber nicht nur auf den Darmverschluss, sondern auf viele Dinge, die einen eigentlich gar nichts angehen und mit denen man alltäglich von den Medien vollgequatscht wird.“ Zumindest bei den Stücken, die Rod schreibt, scheint es so zu sein, dass die Lieder, die beim ersten Hören zunächst einfach nur witzig klingen, auch einen tieferen Sinn beinhalten. So beispielsweise auch bei dem Song „Piercing“, wo man über die Story, in der sich ein junger Typ von seiner Freundin zu einem Intimpiercing überreden lässt und es - als sie weg ist - bitterlich bereut, ersteinmal nur grinst. Es ist jedoch fraglich, ob sich jedem Hörer direkt erschließt, dass Rod seine Fans mit diesem Stück nicht nur zum Lachen bringen will, sondern im Humor eine ernsthafte Message verpackt hat. „Also, ich persönlich würde mir niemals einen Ring durch mein Gerät ziehen lassen. Aber abgesehen davon soll das Stück eine Warnung sein. Viele junge Menschen machen irgendwelche Dinge, wie Drogen nehmen oder sich beispielsweise als Mutprobe ein Tattoo stechen lassen, im Zuge von Gruppenzwang. Und das Lied ist ein kleiner Hinweis darauf: Mach´ nichts, was Du nicht selber wirklich willst!“ Die Ärzte machen nun schon seit über zwanzig Jahren nur das, was sie wirklich wollen. „Geräusch“ ist deshalb eine Doppel-CD geworden, weil eine solche in ihrer Diskographie noch fehlte. „Das beschreibt den Zustand der Ärzte: Wir machen Sachen für uns, um uns selber sagen zu können: Hey, guck mal, wir haben hier ein Dreifach-Live-Album, wir haben ein Plüschcover gemacht, wir haben ein Unplugged mit Schülern eingespielt und jetzt haben wir sogar ein Doppel-Studio-Album, wow! Sozusagen für die eigene kleine Biografie...“Und es ist einfach so: Bela, Farin und Rod können es sich erlauben, das zu machen. „Das ist ein gottverdammter Luxus. Aufgrund unseres Erfolges haben wir wahnsinnig viele Möglichkeiten. Wir können uns viele Sachen trauen, dich sich andere Bands nicht trauen könnten, weil sie ein bestimmtes Image haben oder so. Die Ärzte können zum Beispiel ´ne Disco- oder Calypso-Nummer aufnehmen und die Fans sagen vielleicht auch erst mal: „Die spinnen ja wohl, Idioten!“, aber dann lachen sie drüber, weil sie kapieren, dass wir das nicht ganz so ernst meinen, dass wir dabei ein klitzekleines Lächeln im Mundwinkel haben. Viele Bands beneiden uns, dass wir spielerisch mit vielen unterschiedlichen Musikgenres umgehen können.“ In erster Linie machen Bela, Farin und Rod also nach wie vor das, was ihnen selber Spaß macht. So gesehen ist laut Rod der Punk-Spirit von damals immer noch derselbe: „Dieses anarchistische, zu sagen: Wir machen Musik und Texte, die uns Spaß machen, die wir gut finden. Und erst dann kümmern wir uns drum, ob es draußen jemandem gefällt. Mit dieser Attitüde sind wir auch an dieses Album rangegangen.“ Wenn einer der drei Doktoren den andern beiden ein neues Lied präsentiert, ist das Ziel immer, die andern zu toppen. Das gegenseitige Dissen, was einen wichtigen und großen Teil der Ärzte ausmacht und was das Trio besonders auf der Bühne bestens fabriziert, findet auch beim Songwriting statt. „Das ist so ´ne kleine Konkurrenz. Man will die andern überraschen, beeindrucken oder zumindest zum Lachen bringen.“ Jeder Arzt macht sich also primär Gedanken darüber, was die andern beiden über ein Stück denken und nicht, was die Öffentlichkeit denkt. Vielleicht rührt daher der authentische Charme des Trios. So sehr der Spaß auch bei den dreien im Vordergrund steht, so wichtig ist die Disziplin im Tonstudio. „Die Aufgabe besteht darin, zu Hause zu lachen. Nachher geht jeder nach Hause und dann ‚Huah, brüll!!!’ und dann sagen wir uns: ‚Ok, wieder in´s Studio, wieder ernst!’. So funktioniert es bei den Ärzten.“ Nicht nur bei den Themen ihrer Lieder finden die drei also ein ausgewogenes Maß zwischen Freude und Ernsthaftigkeit, sondern auch bei der Produktion derselben. So wird´s dem Hörer nie langweilig. Und damit es den Doktoren selbst nicht langweilig wird, bleiben sie eben nicht nur beim geradlinigen "1,2,3,4!"-Punkrock, sondern lassen immer wieder unterschiedlichste Stile in ihre Musik einfließen. „Man macht die Platten ja auch, um für sich selber etwas abzuschließen. Beispielsweise macht man Stücke mit einem ganz bestimmten Sound, weil eine Band, die man total gut findet, so ähnlich klingt. Damit verbeugt man sich dann sozusagen vor dieser Band, indem man halt musikalisch etwas ähnliches macht, aber natürlich vom Text her in einen ganz anderen Kontext stellt. Vielleicht erreichen wir damit auch, wenn wir zum Beispiel eine Synthesizer- oder Calypsonummer machen, dass die Leute, die ganz eindimensional nur ein Ding hören, dadurch mal auf andere Musik kommen. Gewisse Hörgewohnheiten muss man antrainieren. Ich finde, wenn wir ein breites Spektrum an Sounds anbieten, kann das einen als Musikkonsument nur nach vorne bringen. Vielleicht forscht der ein oder andere deshalb in anderen Bereichen nach. Es bestehen da ja mannigfaltige Möglichkeiten. Es ist ja nicht so, dass nur eine Musikrichtung gut ist. Man kann alles mögliche hören, finde ich. Der Mensch ist ja ein Individuum und hat einen freien Geschmack ...noch! Dementsprechend sollte jeder für sich gucken, wo er sich das beste rauszieht, für sein eigenes Seelenheil.“ Für das Seelenheil aller Die Ärzte-Fans ist ab Dezember gesorgt: Dann gibt´s endlich wieder live was auf die Ohren von „der besten Band der Welt“ und von Fettes Brot, die als Support einheizen. Ein Highlight - auch für die drei Ärzte selber - werden sicherlich die drei anstehenden Shows in Berlin sein, zu denen die Village People (beziehungsweise die, die davon noch übrig geblieben sind) als Gäste eingeladen wurden. „Wir haben uns überlegt: ‚Womit können wir uns selber toppen? Wie können wir unseren Fans etwas unterjubeln, was so dermaßen außerhalb von diesem Universum ist, dass sie es vielleicht geil finden?’ Und ich glaube, wenn unsere Fans erst mal sehen, dass da ein Indianer, ein Bauarbeiter, ein Polizist und ein Handwerker auf der Bühne im Gleichschritt ihre Tanzbewegungen machen, wird das bei denen ziemlich für Furore sorgen.“ Als ob Die Ärzte selber nicht schon für genug Furore sorgen... Ich muss sagen, dass ich nach diesem Gespräch mit Herrn Gonzalez ein ganz anderes, viel positiveres Bild vom Ärzte-Basser habe, der meiner Meinung nach neben Bela und Farin manchmal zu wenig zur Geltung kommt und nach außen hin viel ruhiger erscheint, als er in Wirklichkeit ist. Seitdem singe ich jedesmal, wenn „Unrockbar“ aus den Boxen schallt, eine Stelle in leicht abgeänderter Form: „Dann hast du auch bald kapiert, dass der Rod die Welt regiert...!“Aktuelles Album: Geräusch (Hot Action Records)
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