Kaum eine andere Band hat in der letzten Zeit die Geister mehr geschieden als das britische Quartett The Darkness. Polarisation der Massen und, oder besser, durch groß angelegtes Entertainment, obwohl die Zutaten recht originär sind: fundierter Rock‘n‘Roll, gepaart mit klischeebehafteter Optik und einer großen Portion Spaß - The Darkness haben den Mut, öffentlich mit vermeintlichen Tabus zu spielen und ziehen damit offenbar das große Los. Ein Erklärungsversuch.
Was hat diese Band, bestehend aus Justin und Dan Hawkins, Ed Graham und Frankie Poullain, dass sie derzeit mit großem Erfolg alles andere in Grund und Boden rocken? Die Fakten liegen auf der Hand. Ihr Album stieg in England auf Platz 2 in den Charts ein, hielt sich wochenlang in den Top 10 und wanderte schließlich an die Spitze und hielt sich dort einen Monat lang. Im vereinigten Königreich ist allein das schon eine Seltenheit. Nahezu eine Million Alben gingen über die Ladentheken, Doppelplatin heisst das für die junge Band. Daraufhin wurden sie mit Preisen überhäuft, die nationale Presse widmete ihnen Coverstories (allein der NME nahm sie drei mal auf den Titel) und schließlich lud sie Robbie Williams persönlich als Support seiner Stadiontur ein. Es folgten Supportshows für die Rolling Stones, Metallica, Deep Purple und Lynyrd Skynyrd, nun touren sie mit Meat Loaf durch Europa. Der Erfolg scheint nicht abzureissen und die Mission ist denkbar einfach. Es geht darum, viel Spaß zu haben, und sieht man sich die bisherigen Publikumsreaktionen an, so mag man ihnen direkt glauben, dass sie dies auch gut vermitteln können. Dass Hardrock und Heavy-Musik allgemein durch Bands wie Nickelback oder Linkin Park momentan gut im Rennen liegt, kann dies nur unterstützen. Betrachten wir die Inhalte von The Darkness etwas genauer. Hardrock mit vielen Anleihen besonders amerikanischer Sleaze- und Metalcombos aus den 80er Jahren. Querverbindungen zu Bands wie Van Halen oder Hanoi Rocks, Boston oder auch Def Leppard, AC/DC, Aerosmith und vielen weiteren Vertretern der guten alten Schule legen den Grundstock für den Sound von The Darkness. Der alleinige grobe Unterschied: der Gesang. Falsett in hohen Frequenzen, der mitunter albern anmutet, aber in sich perfekt ist und gut im treibenden und durchaus fesselnden Sound der Band eingebettet ist. Es stimmt einfach, und selbst Fans himmeln ihre Helden etwas belächelnd als Götter des Schwanzrock an. Dass seine Stimme allein schon Aufmerksamkeit erregt und aus allem bisher dagewesenen heraussticht, spricht für sich. Denn, und selbst das ist eigentlich natürlich, sie ist einfach laut und sagt viel über die Persönlichkeit, die dahinter steht, viel aus. Und dann die Optik. Sänger Justin Hawkins trägt Catsuits und Bodys, in denen sonst nur ein Freddie Mercury glaubhaft übers Parkett stolzieren konnte, der Rest der Band kleidet sich mit Leopardenfell, Blue Jeans und Stirnbändern, glamourös und verrucht zugleich. Posing wird groß geschrieben, aber nicht überstrapaziert. Es gibt keine „do‘s and don‘t‘s“. Es ist eine Frage der Aufmachung und Kombination. Wenn Fred Durst sich so kleiden würde oder etwa Coldplay große Rockstarposen auf der Bühne zelebrieren würden - man würde es ihnen kaum glauben. Dagegen wirken The Darkness einfach ehrlich, auch, wenn man augenscheinlich eine Menge Humor mitbringen muss. Doch selbst das streitet die Band ab, denn Comedy funktioniert eigentlich anders. Nicht immer skann man auf den ersten Blick wirklich erkennen, was wahr und was falsch ist. Die Balance zwischen Ernst und Spaß gelingt The Darkness hervorragend und unterscheidet sich von vielen Bands, die eher als „real“ gelten. Die Energie, die sie versprühen, ihre Spontaneität, ihre pure Freude am Musikmachen - Qualitäten, die man nicht erlernen kann und die dennoch so essentiell für eine Karriere sind - nahezu alles, was diese Band braucht, scheint sie in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Dennoch hallen die Schreie nach purer Kommerzialisierung stetig nach, wogegen aber einfach eine gute Kombination aus Verkaufsargumenten und Showaspekten sowie dem nicht zu vernachlässigenden musikalischen Gerüst spricht. Denn selbst wenn es zahlreiche Spekulationen über Justin‘s Privatleben gibt, ob er nun schwul oder doch verheirateter Familienvater ist, ihm ein Verhältnis mit Kelly Osbourne oder sonstiges angedichtet wird - The Darkness decken halt jedes erdenkliche Spektrum der potentiellen Fanbasis ab. Ein Phänomen, dass man keiner anderen Band derzeit zuschreiben kann, weil entweder die Geschmacksfrage, vorherrschende Selbstgefälligkeit oder durchdringendes Schubladendenken in vorderster Front steht. Und trotzdem ist es eine existenzielle Frage, ob man die Band nun abgöttisch liebt oder abgrundtief hasst, denn eine andere Möglichkeit oder gar ein Tummeln in der Schnittmenge steht ausser Frage. So ist es relativ offensichtlich und auch eine Erfahrung, die die Band in ihren zahllosen Clubshows gemacht hat: Selbst die Fans müssen viel Mut aufbringen, um zu ihren Interessen zu stehen und aus sich heraus zu gehen. Und, wenn man den Titel ihres Debüts genau unter die Lupe nimmt, in gewissem Sinne haben sie ja um Erlaubnis gefragt, wenn sie denn damit die Landeerlaubnis erhalten haben. So kam es mit der Zeit, dass sich niemand dieser Band entziehen konnte, und das eigentlich nur aus dem Grund, weil sie eben anders ist und war. Es muss eben nicht immer eine Verständnisfrage sein, sondern darf ruhig auch mal emotional gelöst werden.Aktuelles Album: Permission To Land (Atlantic/eastwest)
Weitere Infos: www.the-darkness.de