Wie viele Bands aus Italien kennt man als durchschnittlicher Leser im deutschen Musikmagazin-Dschungel? Eine, zwei, vielleicht noch eine dritte? Ab jetzt ist es eine mehr, die es sich zu merken lohnt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit versagenden Telefonverbindungen und kostspieligen Auslandshandygesprächen, konnten Gitarrist und Sänger Luca Giovanardi und WESTZEIT schließlich einige Gedanken über den IndieRock von nebenan austauschen. Nebenan ist diesmal in Italien.
Denn obwohl Julie‘s Haircut ebenso gut aus einer beliebigen US-Kleinstadt kommen könnten, hat ihre Heimat die typische Stiefelform. Vor circa zehn Jahren spielen Luca Giovanardi und Nicola Caleffi in einer Band zusammen. Eines Tages treffen sie auf Bassistin Laura Storchi und den ersten Schlagzeuger, den Robbi Morselli irgendwann ersetzt. Inzwischen sind sie zu fünft, „eine Lady und vier Gentlemen“, wie Luca es ausdrückt. Fünfter im Bunde ist „Reverend“ Fabio Vecchio, der sich neben dem bandinternen Unterhaltungsprogramm noch um sein Tasteninstrument „und mehr“ kümmert. Auch jenseits der Alpen wird man als Unterhalter für musikalische Randgruppen nicht mit Reichtümern überhäuft. „Wir haben alle noch andere Jobs. Das macht uns die ganze Sache leichter, denn wir können es uns nicht erlauben, allein von unserer Musik zu leben. Dazu wirft sie nicht genug ab.“ Wo andere Musiker nun anfangen würden zu jammern, meint Luca: „Es gibt durchaus eine positive Seite daran: Solange wir unseren Lebensunterhalt anderweitig verdienen, fällt es uns einfach, beim Musikmachen ehrlich zu bleiben. Das zusätzliche ‚Taschengeld‘ durchs Musikmachen geben wir auf Tour aus, oder um das alte Rock‘n‘Roll-Klischee zu bedienen: Wir können unseren Freund Carlo dafür bezahlen, dass er den Tourbus fährt und unsere Gitarren vor dem Auftritt checkt. Sowas halt... Und für mich ist diese Woche eine tolle neue Jeans herausgesprungen.“ Das erklärt nicht, warum die Endzwanziger sich entschlossen, eine Rockband mit seltsamen Namen zu gründen. Um sich künstlerisch auszudrücken, gibt es schließlich bequemere Möglichkeiten ohne enge Tourbusse und miefende Backstageräume. „Als wir aufgewachsen sind haben wir mehr Musik gehört statt Kunstausstellungen zu besuchen. Und wir lesen zwar alle viel, aber ich glaube nicht, dass ich gut schreiben könnte. Man könnte das wahrscheinlich auch von meiner Musik behaupten, aber was soll‘s...“ Inzwischen dürften solche Stimmen immer mehr verstummen. Während es einer jungen Band bisweilen an Reife fehlt, finden sich die Julies wohl zunehmend in „adult situations“ wieder. Zumindest deutet dies der Titel ihres neusten Werkes an. Luca erklärt die Zweideutigkeit: „In den USA ist ‚adult situations‘ ein Etikett, das Erwachsenenfilme oder -Bücher kennzeichnet. Neben der offensichtlichen gibt es auch eine unterschwellige Bedeutung. Es ist zwar kein Konzeptalbum, aber nachdem wir die Arbeiten am Album abgeschlossen hatten, stellten wir fest, dass sich alle Texte irgendwie um diese Spanne zwischen Jugend und Erwachsensein drehen.“ Dies ist eine Zeit, in der an junge Menschen mehr und mehr Erwartungen gestellt werden. Bands hingegen werden mit den Wünschen und Vorstellungen ihrer Fans konfrontiert. „Manche werden behaupten, dass wir sehr gemein zu unseren Fans waren. Das ist natürlich nur ein blödes Missverständnis. Julies‘ Naturell war immer, verschiedene Stimmungen zu mischen und so auf jedem Album ein umfassendes Bild zu zeichnen. Solange uns unsere Musik selbst wirklich gefällt, wird sie auch anderen gefallen.“ So dienen sie als Fans der eigenen Sache sozusagen als „parte per tutto“.Aktuelles Album: Adult Situations (Homesleep/Cargo)