Eigentlich liegen die großen Zeiten des „Protest-Songs“ oder des „Polit-Rock“ ja bereits einige Dekaden zurück. Angesichts der gegenwärtigen politischen Situation ist es aber vielleicht doch ganz sinnvoll, noch ein Mal auf dieses Medium zurückzugreifen – zumindest als Gedankenanstoß oder Diskussionsgrundlage. Das muss sich auch der in Berlin lebende schottische Songwriter, Filmemacher und Fotograf Jim Kroft gedacht haben, als er sich daran machte, sein multimediales Projekt „A Conversation With America“ einhergehend mit dem Verlauf der aktuellen US-Wahlen zu terminieren.
Worum geht es? Jim Kroft ist ein wahrer Troubadour, der seine kreativen Inspirationen als Songwriter aus seinen zahlreichen Reisen – nach China, Ostafrika, Südeuropa, Russland und die USA – bezieht und in Form von Dokumentarfilmen und Musikalben dokumentiert. 2016, in der Monaten vor der Wahl, bei der sich weiland Hilary Clinton und Donalt Trump gegenüber standen, reiste Jim von Ost nach West quer durch die USA, um sich dort mit Menschen über das Thema Populismus zu unterhalten und nach dem zu suchen, was er als „das flüchtige Herz Amerikas“ bezeichnet. Das Ergebnis ist der Film „A Conversation With America“ und der begleitende Original-Soundtrack, auf dem er Musik, die er für das Filmprojekt erstellte, im Songformat konkretisierte und den er dann am Tag der Amtseinführung des neuen Präsidenten, Joe Biden, am 20.01.21 veröffentlichte.Jim ging es bei seinem Projekt vor allen Dingen darum, die Auswirkungen des Populismus zu ergründen – die er bei seinem Spendenprojekt „A Boat For Sara“, das sich für die Mittelmeer-Flüchtlinge einsetzte, am eigenen Leib erfahren hatte. Nun hätte man das doch auch am Beispiel europäischer Populisten abarbeiten können, oder?
„Ja, aber ich war schon seit jeher besessen von der amerikanischen Politik und insbesondere dem amerikanischen Wahlsystem“, ergänzt Jim, „ich war natürlich von Trumps Aufstieg während der Vorwahlen eingenommen und von denselben Emotionen gefesselt, wie wohl viele von uns in Europa zu jener Zeit. Und ich war natürlich schockiert, als er dann tatsächlich die republikanischen Vorwahlen gewann. Mir war da schon klar, dass er die Manifestation und die Führungsfigur dieser ganzen populistischen Bewegungen auf der ganzen Welt war. Ich wollte da tiefer eintauchen und mir war klar, dass das eine amerikanische Wahl werden würde, wie es sie zuvor noch nicht gegeben hatte. Ich wurde also sozusagen wie die Motte zum Licht zu diesem Thema hingezogen."
Zu welchen Schlussfolgerungen ist Jim denn durch die Konversation mit Amerika gekommen – besonders im Hinblick auf die anschließende Amtszeit Trumps und die aktuellen Wahlen?
„Das Problem ist die Spaltung“, erklärt Jim, „der Umstand, dass Trumps Anhänger und seine Gegner nicht mehr miteinander sprechen können und nun die Gefahr von Unruhen besteht. Ich glaube zwar nicht, dass es gleich einen Bürgerkrieg gibt, aber zumindest ein Maß an ziviler Unruhe, die es zuvor in der westlichen Welt noch nicht gegeben hat. Man denke nur an die ganzen Söldner, Milizen und bewaffneter, rechter Freischärler. Das sind die Konsequenzen solchen Handelns. Ich hoffe nun wirklich, dass ein solches Weltuntergangsszenario nicht eintrifft – möglich wäre es aber.“
Wie wir seit dem 06.01.2021 wissen, sind Jim's Befürchtungen zumindest teilweise nun doch eingetroffen. Jim's Song „The World Is On Fire“ von dem Soundtrack-Album – so sagt er am Tag nach den Ereignissen am Capitol Hill in Washington - sei somit die „geeignete Titelmelodie“ für diese Ereignisse. Tatsächlich beschäftigen sich aber alle Songs auf dem Soundtrackalbum mit dem Zustand Amerikas unter der Knute des Populismus – gelegentlich (wie im Falle von Songs wie „A New Revolution Of Love“) auch mit versöhnlichen Angeboten. Als klassischer Protest-Sänger betrachtet sich Jim Kroft aber dennoch bewusst nicht. Denn die Protest-Sänger der 60er Jahre etwa übten ihre Kunst ja noch aus, um bekannter zu werden (was damals noch möglich war), während Protest-Sänger heutzutage eher sogar um Aufmerksamkeit betteln müssen.
„Das ist ein interessanter Punkt“, ergänzt Jim, „es gab da damals ja auch diesen megalomanischen Anspruch jener Künstler, die Welt verändern und zu einem bessern Platz machen zu wollen. Und so sehe ich die Sache überhaupt nicht. Ich sehe das einfach so, dass wirklich all unserer Aktionen einen Einfluss haben. Nicht immer wie der Butterfly-Effekt – der auf der anderen Seite der Erde gleich einen ganzen Sturm verursacht, sondern auch im ganz Kleinen – etwa durch ein Lächeln oder ein Stirnrunzeln, dessen jemand anderes Gewahr wird. Alles kann einen Einfluss haben. Man muss nur seine Werte vertreten und anbieten.“ Nicht aber sollte man diese jemand anderen aufoktroyieren wollen – das muss heutzutage ja leider noch abschließend hinzugefügt werden. Ullrich Maurer
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Link zu dem FILM „A Conversation With America“ https://www.youtube.com/watch?v=Xd-NKPCKFYE&t=7s
Link zu dem SONG „How Will You Decide America?“ https://www.youtube.com/watch?v=HyCYANWPo2M
Foto: Ullrich Maurer