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VOLBEAT

„Die deutschen Fans sind verrückt“

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Ein Konzertereignis für daheim: Mit „Rewind, Replay, Rebound – Live in Deutschland“ erbringen die vier Dänen von Volbeat einen weiteren Beweis für die ohnehin längst unstrittige These, dass sie zu den stärksten Livebands Europas zählen. Der Tagesablauf eines erfolgreichen Rockmusikers im November 2020? Sieht folgendermaßen aus: Um 9 Uhr ein telefonisches Interview, im Anschluss fährt die Frau zur Arbeit, und es gilt, sich um die Kinder zu kümmern. Die beiden Söhne von Kaspar Boye Larsen, dem Bassisten von Volbeat, sind vier und zwei Jahre alt, der Kleine quengelt an diesem Morgen ein bisschen triefnäsig vor sich hin.

„Ganz ehrlich, das Leben war auch schon stressiger“, sagt Larsen, 45, und hört sich dabei eher nicht so an, als würde er immens unter der trüben pandemischen Großwetterlage leiden. „Ich mache mir gleich noch einen Kaffee, und dann setze ich mich mit den Jungs vor den Fernseher, um ein paar Cartoons anzuschauen.“

Die Familie sehe ihn in diesem Jahr ungewohnt häufig, also seit Februar eigentlich immer, „was für uns natürlich wunderbar ist“, so Larsen. „Ich genieße es, zu Hause zu sein und alle diese Dinge zu tun, die ich sonst nie tue. Auf der anderen Seite ist es natürlich eine harte Zeit. Ich will Musik spielen und auf der Bühne stehen, das ist es, was ich liebe, und wofür ich lebe. Insofern sind meine Gefühle gerade alles in allem sehr gemischt.“

Seit etwas über einem Jahr sind Volbeat – also Sänger, Gitarrist und Chefsongschreiber Michael Poulsen, Schlagzeuger Jon Larsen, der in den USA lebende Bassist Rob Caggiano und Kaspar, der erst seit 2016 in der Band ist, die Jungs aber schon weitaus länger kennt – nicht mehr aufgetreten.

„Das ist das erste Jahr seit 1995, in dem ich kein einziges Konzert spielen werde“, so der Bassist. 1995 war er 20. Kurz danach stand das Gründungsmitglied der Melodic-Death-Metal-Band Withering Surface mit selbiger zum ersten Mal auf der Bühne und ist seitdem ein Fixpunkt in der dänischen Metal-Szene, freilich ohne ganz auf bürgerliche Jobs wie den eines mobilen Krankenpflegers verzichten zu können. Sein Leben änderte sich, als Poulsen ihm vor fünf Jahren den Volbeat-Job anbot.

„Wir zogen aus unserem Appartement in der Kopenhagener Innenstadt raus aufs Land, unser erste Sohn kam zur Welt, ich habe den tollsten Job, den es gibt, das Leben ist wirklich schön. Und jetzt hat auch noch Joe Biden gewonnen."

Fehlt bloß noch die Ausmerzung des blöden Virus‘, doch selbst in dieser Frage ist Volbeat tendenziell optimistisch. Bei manch einem großen europäischen Rockfestival stehen sie im Sommer 2021 jedenfalls wieder auf dem Line-Up, und zwar in der Regel ganz oben.

„Ich denke positiv und bin zuversichtlich, dass die Impfung bis dahin so weit ist, dass wir wieder unter vernünftigen Bedingungen, also ohne Sitzplätze und Abstand, werden arbeiten können. Alles andere würde mich wirklich sehr traurig machen."

Doch selbst, wenn der Gedanke naheliegt: „Rewind, Replay, Rebound – Live in Deutschland“ ist nicht als Trostpreis für die gebeutelten, unter Liveshow-Entzug leidenden, Fans konzipiert worden. Der Plan, diese Platte zu veröffentlichen, wurde vielmehr schon im vergangenen Herbst gefasst. Das Album ist eine Wucht und spart nichts aus. Ob „Pool Of Booze Booze Booza“, „Seal The Deal“, das ergreifende „Fallen“ oder „Last Day Under The Sun“ – die Glanzstücke aus fast zwanzig Jahren Bandhistorie sind allesamt vertreten.

"Durch den Lockdown und die ganzen Einschränkungen ist die Bedeutung, die dieses Album für viele Menschen hat, sicher noch einmal gewachsen“, mutmaßt Kaspar Boye Larsen. Es ist nicht Volbeats erste Liveplatte, 2018 etwa kam das in Kopenhagen aufgenommene „Live@Telia Parken“. Aber es ist die erste, die komplett in (mehreren Städten) Deutschland(s) mitgeschnitten und – jedenfalls in physischer LP/CD-Form – auch ausschließlich hierzulande zu kaufen sein wird, während man sich das Spektakel digital selbstredend in jedem Winkel der Welt wird anschauen können.

Kaspar: „Die deutschen Fans sind total verrückt. Wir lieben sie. So einige der besten Shows, die wir je gespielt haben, waren in Deutschland."

Die enge Beziehung mit den Deutschen begann, jedenfalls im Liverahmen, im Juni 2006 spielten sie auf dem Rock Hard Festival in Gelsenkirchen, nur wenige Monate später waren sie bereits Headliner beim Headbanger’s Ballroom in Hamburg, und auch in den hiesigen Charts wirbelte die Band bald jede Menge Staub auf – die letzten drei Studioalben, darunter das im vergangenen Sommer veröffentlichte „Rewind, Replay, Rebound“ schafften allesamt den Sprung an die Spitze der Charts.

Das Geheimnis dieses Erfolgs? Es gibt keins.

"Ein Rezept haben wir nicht. Wir sind einfach sehr harte Arbeiter, die ihre Arbeit zum Glück über alles lieben. Wir sind wahnsinnig viel auf Tournee, wir sind immer inspiriert, wenn wir neue Songs schreiben, wir gehen einfach mit verdammt viel Leidenschaft und Liebe zu werke. Dazu haben wir eine Art von Musik entwickelt, die einzigartig ist. Volbeat klingt sehr eigenständig, und darauf sind wir stolz. Zu guter Letzt sind wir total nahbar für unsere Fans. Wir kommen nicht im Privatjet zu unseren Konzerten geflogen, wir hängen vor den Shows mit den Leuten ab, und wir hängen auch nach den Shows mit den Leuten ab. Das sind oft Menschen, die ihr Taschengeld in uns investieren. Die wissen es sehr zu schätzen, dass wir uns Zeit für sie nehmen."

Auch Glaubwürdigkeit sei wichtig.

"Wir haben auch manches geopfert, um so weit zu kommen. Und wir machen keinen Mist mit, wir spielen nicht in jeder miesen TV-Show, wir versuchen, integer zu bleiben, nicht das Gefühl zu haben, wir würden unsere Seelen verschachern."

Keine Frage, so Kaspar: „Das Livespielen steht bei uns im Zentrum, immer. Jedes Konzert ist für mich ein absolutes High. Noch ein, zwei Stunden nach Ende einer Show renne ich hinter der Bühne rum wie ein Hamster, so voll mit Adrenalin bin ich."

Was das Besondere speziell an den Deutschen ist, weiß Kaspar Larsen ganz gut einzuschätzen.

"Ihr seid unglaublich neugierig und offen gegenüber Musik. In Dänemark habe ich mit meinen früheren Bands auch schon vor drei Nasen gespielt., aber in Deutschland ist die Lust, sich auch auf neue Musiker einzulassen, sehr groß."

200 Leute kämen bei uns selbst dann zusammen, wenn die obskursten Kapellen aufträten, bei Volbeat-Shows freilich sind es mittlerweile eher 20.000 und natürlich ist die seit 2001 existierende Band denkbar weit davon entfernt, neu und unbekannt zu sein. Trotzdem haben sich die Jungs, die von Elvis, Metallica und Johnny Cash gleichermaßen fasziniert sind, ihre Frische und diesen besonderen Biss immer erhalten.

"Wir spielen jede Show, als wäre es unsere erste und gleichzeitig unsere letzte“, so Kaspar Boye Larsen. „Es gibt einfach wenige Erlebnisse auf der Welt, die noch intensiver ist, als ein Abend mit Volbeat.“

Fragt man den Bassisten nach seinen eindringlichsten Live-Erlebnissen, so rattert er jedoch nicht etwa die größten Stadionshows herunter, sondern erinnert sich an einen Auftritt, den er, noch vor seiner Zeit in Volbeat, in einem besetzen Haus in Berlin absolvierte, Køpi heißt das.

"Die Leute drehten wirklich komplett durch vor Ekstase. Solche alternativen Wohnprojekte haben wir in Kopenhagen ja leider nicht mehr. Mich erinnerte der Ort an ähnliche Häuser dort, in denen ich in meiner Jugend oft abhing. Das war für mich eine ganz neue Welt."

Bevor er sich dem Death Metal, dem Hardcore und der Rockmusik verschrieb, sei Kaspar als Teenager ein „kleiner Punk“ gewesen, der auch damals schon „für sein Leben gern laute Musik hörte.“

Zum Schluss noch eine erfreuliche Nachricht direkt aus der Quelle. Das Jahr ohne Liveauftritte habe die Band genutzt, um neue Songs zu schreiben, die sie, wenn alles gut gehe, auch bald schon aufnehmen wolle. Auch der in den USA festsitzende Rob sei in die Sessions eingebunden.

Kaspar Boye Larsen: „Wir nutzen die Zwangspause, um kreativ zu sein und Musik zu machen. Was sollten wir auch sonst tun?“

Aktuelles Album: Rewind, Replay, Rebound – Live in Deutschland (Universal)



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