Als die heutzutage in Berlin lebende, südafrikanische Songwriterin Alice Phoebe Lou 2016 ihr Debütalbum „Orbit“ veröffentlichte, hatte sie – aufgrund ihrer rastlosen Wanderjahre, die sie zuvor nach Paris, zurück nach Südafrika und dann über Amsterdam nach Berlin geführt hatten - bereits eine wechselvolle Laufbahn als Musikerin hinter sich und wartete mit einem originellen Konzept auf: Denn anstatt ihre Kunst – wie das heute üblich ist – über das Web und diverse Streaming-Portale zu promoten, entschloss sie sich, ihr Glück im direkten Kontakt mit den Menschen als Straßenmusikerin zu versuchen.
Denn als solche hatte sie – inspiriert von ersten Erfahrungen als Feuertänzerin, die sie in Paris machte – ihre musikalische Laufbahn 2013 begonnen. Dafür hat Alice heutzutage natürlich nicht mehr so viel Zeit; das Bedürfnis mit anderen Menschen mittels ihrer Kunst zu interagieren und zu kommunizieren liegt Alice aber nach wie vor am Herzen und auch ihr neues, drittes Album „Glow“ entstand im Wesentlichen aus eben diesem Bedürfnis heraus. Freilich agiert Alice heutzutage mit einer anderen Intention als zu Beginn ihrer Laufbahn.„Ja, denn früher wollte ich immer etwas sagen, ein Statement machen und die die Leute zum Nachdenken bewegen“, beschreibt Alice den Unterschied, „meine Einstellung diesbezüglich hat sich auf der neuen Scheibe insofern geändert, als dass ich nun lieber die Leute etwas fühlen lassen wollte. Intime und persönliche Dinge, mit denen man sich assoziieren kann, sind dabei das, mit dem dann auch andere etwas anfangen können – und das kann dann eben auch wieder Gefühle auslösen.“
Das ist ja eigentlich eine schöne Idee – aber wie erreicht man so etwas? Schließlich lassen sich Gefühle ja nicht bewusst steuern.
„Die Musik, die ich mir selber anhöre, hat mir bei diesem Prozess geholfen“, erklärt Alice, „denn das ist eben auch persönliche und intime Musik. Ich wollte also, dass die Leute sich selbst in dieser Hinsicht erforschen sollten – weil es mir selbst sehr geholfen hat, diese Gefühle zu entwickeln.“
Und das hat sich bewährt?
„Ja, denn ich schreibe ja nicht mehr aus der Position des möglichen Zuhörers - sondern für mich. Die Verbindung, die alle Menschen auf der Welt in einer Art Raster zusammenhält, sind ja die intimsten und persönlichsten Gefühle, die jeder einzelne hat. Was mir immer wichtig war, war zu versuchen, Menschen verschiedenen Alters und mit verschiedenen Hintergründen zu erreichen. Ich hatte ja nie eine bestimmte Zielgruppe, die ich versuchte zu erreichen. Das ist für mich überhaupt das Schönste, dass ich so viele verschiedenen Menschen erreiche – und das bestätigt mich in meiner Theorie, dass persönliche, intime Adern uns alle zusammenhalten.“
Das Interessante in diesem Zusammenhang ist eben der Umstand, dass Alice in ihren Songs bislang stets Denkanstöße, Sozialkritik, radikale Thesen oder dezidiert politisch unkorrekte Meinungen propagierte. Den Gefühlsmensch Alice Phoebe Lou erlebte der Zuschauer dann entweder durch den Filter ihrer Bühnenpersona – oder aber im direkten Kontakt. Ein bisschen wird dieser Zwist auch in dem neuen Song „Dirty Mouth“ deutlich - der auch als Single Track veröffentlicht wird. „Dirty Mouth“ ist dabei dann auch eine Art musikalisches Selbstportrait geworden, oder?
„Ja, ich denke schon“, lacht Alice, „wenn ich den Song anderen erklären soll, dann sage ich immer, dass es mir darin darum geht, die Kultur der britischen Höflichkeit und Etikette, in der ich aufgewachsen bin – mit all ihren 'Please' und 'Thank You's' und Nettigkeiten zurückzuweisen und mir zu erlauben zu sagen, was mir in den Sinn kommt, ohne mich schämen zu müssen.“
Moment mal: Alice Phoebe Lou als nette, höfliche, verschämte Person ist aber doch kaum vorstellbar – zumindest nicht auf der Bühne.
„Na ja – das ist ein kulturelles Ding, von dem man sich zuweilen halt einfach nicht lösen kann“, überlegt Alice, „das hat mir auch schon Ärger eingebracht, weil die Fans meine Höflichkeit als Einladung betrachtet haben, mehr von mir zu erwarten, als ich auf einer persönlichen Ebene geben konnte. Für mich geht es darum, 'Nein' sagen zu können ohne mich dafür schämen zu müssen - und nicht die Gefühle anderer über meine eigenen stellen zu müssen.“
Gefühle – neben jener der möglichen Zuhörer vor allem auch die Alice's - sind dann auch das zentrale Thema des Albums. Womit wir denn bei dem Namen des neuen Werkes wören. In dem Titeltrack „Glow“ singt Alice davon, zuweilen aus dem Inneren heraus zu glühen. Was macht Alice denn Glühen – bzw. was ist die Ursache dieses Glühens?
„Nun das ist ein ziemlich starkes Bild dafür, wie ich mich gefühlt habe, als ich diese Songs schrieb“, führt Alice aus, „ich habe in den letzten Monaten nämlich eine Menge unterschiedlicher Dinge erlebt und gefühlt. Dieses Bild von dem inneren Glühen beschreibt dieses neue Gefühl, das ich dabei hatte. Ich war zuvor immer bemüht, mich freundlich lächelnd zu zeigen – aber das war so eine Art äußeres Bild. Als ich dann meinen Kopf rasierte, habe ich mich selbstbewusster und besser gefühlt.“
Dazu muss man wissen, dass Alice im letzten Jahr ihre Fans damit überraschte, dass sie sich – in einer Phase emotionaler Unruhen, wie sie einräumt – den Kopf rasierte. Nun wissen wir ja, dass sich oft eine neue Lebensphase ankündigt, wenn sich Frauen neue Frisuren zulegen. Wenn sich dann jemand den Kopf rasiert, muss das also einen ziemlich radikalen Einschnitt bedeuten.
„Ja, denn ich habe so versucht, mein äußeres Bild mit dem inneren zusammenzuführen und habe dann festgestellt, dass das innere Glühen stärker ist, als das Bild von außen“, erklärt Alice, „es geht nämlich nicht um das Aussehen, sondern um das Gefühl. Und ich denke, man kann es Menschen auch ansehen, wenn sie dieses innere Glühen besitzen – durch ihre Präsenz und Haltung. Man fühlt dann auch, dass sie selbstbewusst und in sich ruhend sind. Wenn sie lachen, dann lachen sie fast mit den Augen."
Dieser für Alice neue, perspektivische Ansatz hatte natürlich auch musikalische Auswirkungen. Alice und ihre Band spielten das Album nämlich zusammen mit dem befreundeten kanadischen Produzenten David Parry auf analogem Vintage-Equipment im Dresdner Castle-Studio ein – und setze dabei erstmals auf Spontaneität als minutiöses austarieren exakter atmosphärischer Stimmungslagen und musikalische Perfektion – unter anderem, indem möglichst mit First Takes gearbeitet wurde. Und höre da - erstmals klingt ein Album von Alice Phoebe Lou auch annähernd so, wie sie sich mit ihrer Band auf der Bühne präsentiert. Schade eigentlich, dass wir das bis auf weiteres nicht direkt abgleichen können. Aber das ist ja eine andere Geschichte ... www.facebook.com/alicephoebeloumusic
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Video „Dusk“www.youtube.com/watch?v=5v4yK2Ae9Sw Aktuelles Album: Glow (Motor) VÖ: 19.03.
Foto: Andrea Rojas