Sie bringen Upbeat mit Schrammelgitarren zusammen, niemals auf Umwegen, immer direkt, ohne Distanz, indiskutabel. Was für manchen beim ersten Hören vielleicht nur nach einer Festivalband als Füller zwischen zwei großen Acts anhört, entpuppt sich nach näherer Betrachtung als sehr viel reichhaltiger.
Der Spirit der Band fußt auf Improvisation und freiem Gedankenfluss. Textfetzen werden auch gerne mal so stehen gelassen, es muss nicht immer eine klassische Storyline gefunden werden. Die Band traut sich an Experimente heran wie zum Beispiel auf ´Oh oh´, einem Song, der fast nur aus einem Wort besteht: Kommunikation. Wieso?"Kommunikation ist für uns ein, wenn nicht der Schlüssel zu einem positivem gesellschaftlichem Miteinander. Es ist die Lösung für so viele Probleme – vielleicht sogar für alle. Die Umsetzung des Themas auf dem Album gehört zu Shirley´s ´Dada´-Momenten, denen wir, sei es mit Blick auf Songstrukturen, sei es mit Blick auf Texte oder auch auf beides, dieses Mal bewusst mehr Raum gegeben haben."
Einen weiteren Dada-Moment findet man auch mit ´Wolf von Brandenburg´, einer Improvisation im Stil der Neuen Deutschen Welle. Obwohl dies der einzige Song ist, der sich humorvoll direkt an die aktuelle Politik wendet, ist ´Die Krone der Erschöpfung´ voll von politischem Engagement – mal subtil, mal offensichtlich. Besonders deutlich sichtbar wird es auf ´Der Alte Krieg´, einem Cover des deutschen Liedermachers Gerd Semmer, der in den 60er Jahren in der Friedensbewegung aktiv war und heutzutage als Vater des deutschsprachigen Protestsongs gilt. Was war der Beweggrund für die Aufnahme dieses Covers?
„Wir wurden zu diesem Cover für einen Gerd-Semmer-Liederabend eingeladen. Künstler*innen und Bands von heute sollten Protestlieder von damals neu interpretieren. Die Beschäftigung mit Semmers Texten und das Umsetzen in Musik mit SHIRLEY-eskem Spirit fanden wir sehr bereichernd, gerade weil wir uns so mal auf anderen Pfaden bewegten. Den Text von jemand anderem musikalisch zu interpretieren, neu zu fassen, war für uns ein spannender Ansatz. Und wir fanden es eine gute Art, uns auf diese Weise klar zu positionieren.“
Würdet ihr euch als politische Band bezeichnen?
„Wir empfinden uns durchaus als politische Band, vor allem durch die Zusammenhänge und Räume, in denen wir uns bewegen, also Festivals oder Clubs, die in ihrer DNA klar gegen Rassismus oder Faschismus positioniert sind. Aktuell unterstützen wir die #LeaveNoOneBehind-Kampagne der Seebrücke, die auf die unhaltbaren Zustände in den Lagern an den EU-Außengrenzen aufmerksam macht. Uns geht es um Alles: Vielfalt, eine offene, nicht-binäre Gesellschaft, den Erhalt der Demokratie. Das Ganze natürlich in einem für alle lebenswerten Umfeld, klimafreundlich und sozial gerecht – wie es in unserem Song ´Smells like Team Spiri´ so schön heißt: „Ein bisschen träumen wird ja wohl noch erlaubt sein.“
Shirley Holmes werden der Kritik nicht müde und nehmen sich in ihren energiegeladenen Songs vor allem der heutigen Leistungsgesellschaft und dem daraus entstehenden Druck an. Kritische Zeilen wie ´24/7 angetrieben, ich scheine einfach niemals genug zu kriegen´ kommen im Einklang mit extrem angetriebenen Songs. Wie vereint ihr den Wunsch nach Entschleunigung im Privaten mit Musik, die klingt als würdet ihr mit 200 km/h über die Autobahn brettern? Ist Krach für euch ein Katalysator für das Bedürfnis nach Ruhe?
„Krach als Katalysator klingt gut! Energie und der Wunsch nach Ruhe gehören bei uns definitiv zusammen. Wir würden nie einen langsamen Song machen, um uns mit dem Thema Entschleunigung zu befassen.“
Erst wenn man nicht nur zu ihren Melodien tanzt, sondern auch auf die Texte hört, merkt man, dass diese viele düstere Existenzkrisen-Momente zeigen. Die Ablenkung, die man sonst ständig im Alltag hat, fällt durch die Krise plötzlich weg und man ist mit durchgehend mit sich selbst konfrontiert. Auch mit Themen wie Selbstakzeptanz oder generell mentale Gesundheit beschäftigen sich Shirley Holmes ausgiebig. Wie man mit so viel Zeit zum Nachdenken umgehen kann, ohne verrückt zu werden – darauf wird uns das Berliner Energiebündel-Trio auf ihrem nächsten Album Antworten liefern. Die Devise lautet also: durchhalten, geduldig bleiben und Kraft sammeln, um bald wieder gemeinsam vor Festivalbühnen zu ihren explosiven Performances zu feiern.
Aktuelles Album: Die Krone der Erschöpfung (Rookie Records / The Orchard)
Foto: Christoph Mangler
©1996-24 WESTZEIT | 2020.05.03 | Autor: Maren Schüller | Foto: Christoph Mangler | › kontakt › impressum › datenschutz | › Besuche uns auf Facebook