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JESS WILLIAMSON

Die Inspiration einladen

JESS WILLIAMSON

Jess Williamson geht es um die Dinge, die wirklich zählen. Auf ihrem fantastischen neuen Album ´Sorceress´ begibt sich die amerikanische Singer/Songwriterin auf die Suche nach Sinn, auf die Suche nach einer höheren Kraft, die uns in diesen unsteten Zeiten Halt gibt. Selbstkritisch und selbstbewusst zugleich übersetzt sie ihre Gedanken über den Verlust von Unschuld und erworbene Weisheit dabei in einen oft zurückgelehnten, aber umso dramatischer nachwirkenden Sound, der auf Americana-Traditionen fußt, aber an keine Konventionen gebunden ist und allein schon wegen ihrer hinreißenden Stimme bemerkenswert ist.

„Man hört ihr zu, lernt von ihr und zieht verändert davon“, sagt die Plattenfirma über Jess Williamson – und das ist mehr als eine Floskel. Egal ob mit ihren Liedern oder im persönlichen Gespräch: Die ursprünglich aus Texas stammende 32-Jährige besitzt die Gabe, ihre Zuhörer in Sekundenschnelle mit ihrer patentierten Mischung aus Charisma, Klugheit und Jungmädchencharme zu fesseln. Mit der gleichen sagenhaften Gelassenheit, mit der sie uns auf ihrem inzwischen vierten Album ihre spirituell geprägte Sicht der Welt vermittelt, begegnet sie nun auch den Herausforderungen der derzeitigen Pandemie.

„Ich bin jetzt praktisch ein anderer Mensch als noch von zwei Monaten“, gesteht sie, als wir sie Ende April in ihrer Wahlheimat Los Angeles erreichen. „Die Coronavirus-Pandemie hat für mich vieles relativiert und dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe mein ganzes Leben immer auf etwas hingearbeitet. Ich war immer sehr zielorientiert und habe mir Gedanken über die Zukunft gemacht – was ich verwirklichen wollte, wie mein Leben aussehen sollte. Wenn du so ambitioniert bist, übersiehst du schnell das Leben direkt vor deiner Nase und verpasst viel, weil du immer nur die Zukunft im Auge hast."

Dass all die großen Pläne, die sie für dieses Jahr geschmiedet hatte, nun plötzlich vom Tisch gefegt sind, sieht sie deshalb durchaus als etwas Gutes. So hatte sie Zeit und Muße, darüber nachzudenken, was ihr wirklich wichtig ist im Leben.

„Anstatt mich darauf zu fixieren, dass die neue Platte meinen Durchbruch bedeuten könnte, bin ich nun eher dankbar für die Anhängerschaft, die ich in den letzten Jahren bereits aufgebaut habe“, sagt sie. „Mir ist auch klar geworden, wie wichtig ein funktionierendes Privatleben ist, wie wichtig es ist, Beziehungen zu pflegen und es auch mal langsamer angehen zu lassen, um Spaziergänge zu machen oder sich der Gartenarbeit zu widmen. Das hat mir bewusst gemacht, wie gut mir auch ein völlig anderer Lebensstil gefallen könnte. Die größte Lektion der letzten Wochen war allerdings, festzustellen, dass ich alles habe, was ich brauche, und wenn ich nun nach neuen Wegen suchen muss, um Geld zu verdienen, dann wird mir auch das gelingen. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, manchmal einfach alles runterzufahren und sich einfach nur am Leben zu erfreuen."

Wie eng bei Williamson persönliche Weiterentwicklung und musikalisches Wachstum verbunden sind, zeigt sich beim Hören von ´Sorceress´. Hatte sie sich nach ihren solistischen Anfängen mit spartanischer Banjo-Begleitung zunächst einem heimeiligen Oldschool-Bandsound gewidmet, glänzt ihre neue LP mit einem oft herrlich ausladenden Sound ohne jegliche Scheuklappen, der in der Vergangenheit verwurzelt ist, seine Fühler aber auch in die Gegenwart ausstreckt. Organisch mit Williamsons Ambitionen gewachsen, beeindrucken die neuen Songs mit Abwechslung, Dynamik und Tiefgang.

„Ich fühle mich inzwischen deutlich wohler in meiner eigenen Haut“, erklärt sie die Veränderungen. „Je älter ich werde und je mehr ich über mich selbst lerne, desto mehr von mir steckt auch in meiner Musik."

Agierte sie anfangs noch nervös und unsicher, hat sie sich inzwischen mit ihrem wahren Ich arrangiert.

"Du kannst nur dann an dich selbst glauben, wenn du dich wirklich kennst“, sagt sie bestimmt. „Nur aus dieser Position heraus kannst du Wagnisse eingehen. Das Risiko lohnt sich, wenn dir etwas wirklich wichtig ist."

Auch wenn Williamsons sofort unter die Haut gehende Stimme auch weiterhin stets im Fokus steht: Auf ´Sorceress´ sind selbst dezente Pop-Versatzstücke kein Tabu mehr, die sich beeindruckend bruchlos in ein bunt schillerndes Klang-Kaleidoskop aus zartem Laurel-Canyon-Folk, handfestem Texas Country und luftiger Westcoast-Psychedelia integrieren.

"Im Studio gilt für mich: Wenn jemand eine Idee hat, bin ich immer interessiert, sie zu hören“, erklärt sie und fügt lachend hinzu: „Das heißt ja nicht, dass ich am Ende alle Vorschläge auch umsetzen muss!"

War sie früher auf der Suche nach einer betont authentischen, ja puristischen Herangehensweise, die nach Live-im-Studio-Aufnahmen und Tonband-Mitschnitten verlangte, ist sie nun viel unvoreingenommener in ihrer Herangehensweise.

"Ich weiß inzwischen, dass ganz viele verrückte Sachen nur mithilfe eines Computers umsetzbar sind“, sagt sie, „und das ist auch okay!"

Die Idee, dass alles kann und nichts muss, die im Sound von ´Sorceress´ tief verankert ist, spielte für Williamson auch schon im Songwritingprozess eine wichtige Rolle. Inspiration für ihre Lieder findet sie überall und jederzeit, doch ihre besten Songs entstehen, wenn sie daheim in ihrem Schlupfwinkel klaren Tagesabläufen folgt und sich zunächst ganz auf die Musik konzentriert, bevor sie sich mit dem guten Gefühl, das Richtige, das Wichtigste zuerst angegangen zu sein, den Verlockungen der modernen Kommunikationstechnologie oder auch einfach nur den lästigen Pflichten des Alltags widmet.

"Wenn ich so diszipliniert bin, tut sich eine ganze Menge, denn die meisten meiner Songs offenbaren sich, wenn ich ihnen genügend Freiraum gebe", ist sie überzeugt. "Es geht darum, die Inspiration einzuladen!"

Aktuelles Album: Sorceress (Mexican Summer) VÖ: 15.05.


Weitere Infos: www.jesswilliamson.com Foto: Kathryn Vetter-Miller

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