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ALPENTINES

Zeitlose Liebe unter dem Mantel der Dunkelheit

ALPENTINES

Die ersten Worte des zweiten Albums vom insgesamt dritten physischen Tonträger der vier Musiker Philipp Gosch, Kurt Fuhrmann, Marian Menge und Kay Lehmkuhl fordern dazu auf, die Herzen mit Dunkelheit zu füllen. Dennoch bewegt sich´Blackness´ keineswegs in Richtung Abstieg in die Düsternis, sondern beschäftigt sich mit der Verdichtung, Konzentration und Neuentdeckung von rudimentären Begrifflichkeiten.

Die Zeit, die Wahrnehmung, bzw. die ultimative kosmische Größe der Liebe bilden das Konstrukt, auf dem die neuen Sounds der Alpentines aufgebaut sind. Dennoch sind die Alpentines keine kosmischen Kuriere im Sinne des Krautrocks, sondern latent von z.B. Talk Talk, King Crimson oder Jeff Buckley inspirierte Klangforscher, die sich der Überlagerung von verschiedenen Schichten verschrieben haben. Und eben dieses Vorhaben hat das Quartett von ihrem Fotografen Martin Steinke obendrein visuell hervorragend umsetzen lassen: Das Albumcover zeigt mitnichten die Erdkugel im Weltall, sondern einen Stein mit verschiedenen Tinkturen, der unter Zuhilfenahme verschiedener Lichter im Wasser abgelichtet wurde. Das kosmische Element entsteht durch die Schichtung. Dem Album voran bzw. die Songs überspannend standen Überlegungen zu den Widersprüchen unserer gelebten Wirklichkeit. Dazu, all den Möglichkeiten etwas Schönes entgegenzusetzen. Immer wieder fällt auch im Interview der Teilsatz „Es geht um Verdichtung…“

Sänger Kay Lehmkuhl: „Auch wir kommen aus verschiedenen Richtungen“

Gitarrist Menge ist u.a. Gitarrist bei der ursprünglich englischen Formation Fischer-Z; Schlagzeuger Fuhrmann bewegt sich ebenfalls professionell in der Branche, jedoch in einem klassischen Umfeld, spielt daneben noch Jazz; Bassist Gosch hat zwar vielschichtige Erfahrungen im Musikbusiness, lebt jedoch von seinen Einkünften als Handwerker.

Lehmkuhl: „Wir haben keine Dogmen. Jeder hat seine Musik zugetragen. Unser gemeinsamer Nenner ist die Indie-Musik. Ich liefere den Großteil der Songs, aber jeder liefert Ideen. Bei der Ausformulierung der Songs sind alle Vier gleichermaßen beteiligt.“

´Blackness´ könnte bei einer Spielzeit von 25 Minuten subjektiv auch eine EP sein.

Lehmkuhl: „Wir waren nicht sicher, wie wir das Werk deklarieren sollen. Wir hatten im Studio Nord in Bremen zehn Stücke aufgenommen. Sieben finden sich nun tatsächlich auf dem Album. Das liegt daran, dass die Verdichtung in den sieben Songs einfach so ist, wie wir uns das vorab vorgestellt haben. Die anderen drei Tracks werden wir im Winter als kleine EP veröffentlichen. Sie passten einfach nicht in die Reihenfolge von ´Blackness´, sind einfach ein bisschen anders. Für uns ist ´Blackness´ trotz der Spieldauer von 25 Minuten ein Album, weil dieser Songzyklus in sich geschlossen ist. Ein Text, der komplett durch die Songs durchläuft.“

´Blackness´ bezieht sich auf „Die Ordnung der Zeit“ von Carlo Rovelli (Zitat): „Gesang ist, wie Augustinus bemerkte, das Bewusstsein von Zeit. Er ist die Zeit, ist wie der vedische Hymnus, der selbst das Erblühen von Zeit ist. (…) Gespannt halten wir den Atem an, spüren auf geheimnisvolle Weise, dass hier die Quelle des Sinns, der Urquell der Zeit liegt.“

Lehmkuhl: „Das ist der Leitfaden, der textlich und musikalisch aufgearbeitet wurde. Es ist Musik, von der wir glauben, dass man in verschiedenen Weisen zuhören muss. Man muss sich die Zeit nehmen, und die 25 Minuten einmal komplett hören! Sie fluktuativ zu hören, war nicht unser Ziel. Ein Strang von Musik. Der klassische Schallplattengedanke. Den forschenden Bezug (wie Rovelli) haben wir in musikalischer Hinsicht auch. Nicht alles, was wir machen, ist auf Kalkül basierend, sondern wir lassen uns leiten.“

Und dabei kommt die Liebe nicht zu kurz. Die Liebe zum kosmischen Wohlklang, zu ruhigen, fließenden Tönen, die manchmal subjektiv ebenfalls an frühe Roxy Music oder eben auch an die Soundwelten von David Sylvain erinnern – wobei letzterer passenderweise mit Robert Fripp von King Crimson zusammenarbeitete. Darüber steht noch die Liebe. „All you need is love“? Hatten wir das in der Musikgeschichte nicht bereits einmal?

Lehmkuhl: „Die Beatles sind sozusagen die Urform einer Band, die 10 Jahre wirken kann, bevor `es´ sich ein bisschen verliert…“

´Blackness´ ist jedoch weder eine Powerpoint-Präsentation, noch eine instrumentierte Entsprechung eines Seminars in Astrophysik. Die musikalische Heimat der Alpentines ist und bleibt die Popmusik, in all ihrer anrührenden Größe und immanenten Nähe zum Herzen. Wie vor zwei Jahren beim Debutalbum ´Silent Gone´, nimmt die Alpentines-Formation, trotz all der in den letzten Jahren zuvor gescheiterten Versuchen der jeweiligen Mitglieder in diversen anderen Bands, das Format des Popsongs als Vehikel für zutiefst persönliche Betrachtungen unserer Zeit. Doch das wiederum relativ zeitlos!

Aktuelles Album: Blackness (Unter Schafen Records / Alive / Kontor Records) VÖ: 08.05.


Weitere Infos: https://www.alpentines.de

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