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THE HIRSCH EFFEKT

Auch Hirsche sorgen sich um das Klima

THE HIRSCH EFFEKT

„Unerbittlich, typisch Hirsch", so beschreibt Nils Wittrock, der Sänger von The Hirsch Effekt ihr neuestes Album ´Kollaps´, das am 8. Mai veröffentlicht wird. Das musikalisch facettenreiche Album hat sich dem allgegenwärtigen Diskurs des Klimawandels verschrieben und ist somit eine Hommage an Greta Thunberg und die Friday For Future-Bewegung. Mit Nils haben wir uns über die aktuelle Klimalage unterhalten, aber auch über gemeinsames Handeln, Coronakrise, Hoffnung und… Autos.

Wieso war es für euch wichtig zum Thema Klimawandel ein Album zu schreiben?

„In unseren ersten drei Alben ging es eher um mein eigenes Seelenleben“, erklärt Nils. „seit dem letzten Album ´Eskapist´ haben äußere soziale Themen für mich eine größere Bedeutung, aber es war jetzt nicht so, dass ich gedacht habe die Welt braucht noch ein Album zum Thema Klimawandel. Als Künstler suche ich mir ein Thema und betrachte es von außen. Natürlich nehme ich dabei auch Stellung, das lässt sich nicht vermeiden. Ich fand das einfach so bewegend, dass es jemanden gibt, der sich mit einer großen Ruhe dahin setzt und über das Thema redet. Ich habe mich auch selber mal auf Demos begeben, in Berlin habe ich Greta auch reden hören. Die Person an sich hat mich sehr berührt, weil ich selten jemanden erlebt habe, bei der ich denke, sie hat einen Auftrag, der über das was sie selber ist weit hinausgeht. Da dachte ich, ich möchte ihr ein Album widmen, deshalb auch die Titel auf schwedisch.“

Klimawandel, verschiedene politische und wirtschaftliche Probleme und jetzt noch eine enorme Gesundheitskrise : im Moment sieht es echt nicht rosig für uns aus. Eure Songs heißen übersetzt u.a ´Krise´, ´Wahnsinn´ oder ´Zusammenbruch´ und untermalen die aktuelle Situation ganz gut. Gibt es deiner Meinung nach gar keine Hoffnung mehr?

„Ich möchte eigentlich nicht, dass das Album so verstanden wird alles sei hoffnungslos. Im letzten Song des Albums geht es ja auch ganz viel um Hoffnung. Wenn man einfach anfängt zu handeln, dann kommt die Hoffnung vielleicht einfach von selbst. Ich kann nicht beurteilen, ob alles verloren ist. Ich finde aber, dass es der Generation, die gerade auf die Straße geht, gegenüber fatal ist, wenn ich sage ´es ist alles egal´. Wenn wir anfangen so zu denken, sind wir als Menschen verloren, das darf nicht sein“, sagt Nils entschieden.

Apropos Corona, eure Mai-Tour wurde ja deshalb in den Herbst verschoben. Wie schwer hat euch all das sonst als Band getroffen?

„Wir alle haben noch unterschiedliche Tätigkeiten neben der Band und sind deshalb unterschiedlich schwer davon betroffen. Aber mit dem Jammern ist das immer so eine Sache - alle sind betroffen. Wir können immerhin neue Mittel suchen, neue Wege gehen und das können andere nicht unbedingt. Unser Ziel ist es, mit dem Album auf Tour zu gehen. Alle Konzerte wurden programmiert, alles ist durchgeprobt und jetzt können wir nicht aufführen, das ist für uns natürlich sehr frustrierend. Die große Frage ist aber auch, ob wir überhaupt im November auf Konzerte gehen können. Wir wünschen uns das natürlich, aber auch da ist das letzte Wort nicht gesprochen.“

Zu Eurem Song ´Bilen´ ist seit dem 03.04 ein sarkastisches und dennoch humorvolles Musikvideo draußen. Wieso habt ihr euch für diesen Ton entschieden ?

„In diesem Song geht es um den Stellenwert des Autos in unserem Land, was man schon mal in Frage stellen darf. Aus meiner persönlichen Sicht ist das Auto das vorherrschende Verkehrsmittel und alle anderen Verkehrsmittel haben sich ihm unterzuordnen. Wir wollten mit dem Song und dem Video weit über die Strenge schlagen, das ist nicht objektiv und so sollte der Text auch nicht sein. Ich habe den Song aus meiner Sicht, also der eines wütenden, offensiv fahrenden Radfahrers, der sich über Autos ärgert, geschrieben,“ Der Sänger lacht. „Ich wollte eben nicht, dass das Video Autos zeigt, ich wollte, dass es albern bleibt.“

Euer Album endet mit dem Track ´Agera´, was auf Deutsch ´Handeln´ bedeutet. Wie handelt ihr als Band für mehr Nachhaltigkeit, insbesondere in der Musikbranche?

„Wenn man anfängt über Nachhaltigkeit und Merch nachzudenken, dann fällt einem auf, dass man nicht so leicht klimaneutral T-shirts oder CDs verkaufen kann. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht. Wir haben für unsere Fanbox zum Beispiel Klimazertifikate erworben. Die Leute, die unsere Box kaufen, unterstützen damit Projekte, die an anderen Stellen den CO2-Verbrauch einsparen, den die Herstellung unserer Tonträger initiert hat. Für unsere Bandshirts nehmen wir Bio-Baumwolle und arbeiten mit einer Druckerei zusammen, die Strom aus erneuerbaren Energien benutzt. Wir wollen jetzt auch selber Shirts bedrucken, wir arbeiten mit wasserbasierten Farben, das ist umweltfreundlicher. Der Plan ist, uns auf der nächsten Tour einen Stock an T-shirts anzulegen, wo Leute gebrauchte Shirts mitbringen und dadurch einen Rabatt auf neubedruckte Bandshirts kriegen. Uns ist natürlich bewusst, dass das alles nur ein Kompromiss ist. Es ist total schwierig, wenn man über das ganze Rockding nachdenkt - habe ich mir da einen Beruf ausgesucht, den ich klimaneutral machen kann? Allein der Strom, den man für ein Konzert verbraucht ! Dabei setzen wir schon seit längerem auf LED -Lampen, die verbrauchen zehnmal weniger. Das andere ist das Touren. Wir haben uns dafür entschieden Carsharing-Autos zu benutzen, aber zu Festivals in England zum Beispiel, muss man trotzdem hinfliegen. Es sind alles Kompromisse.“

Kompromisse, über die die Band auf ihrem neuen Album reflektiert und dabei wieder ihre musikalische Ambivalenz an den Tag legt – typisch Hirsch eben.

Aktuelles Album: Kollaps (Long Branch Records / SPV) Vö: 08.05.

Foto: Label

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