Der Ort Forst besteht aus circa acht Gebäuden. Die meisten davon sind Restbestände des herrschaftlichen Anwesens, auf dem sich das herzoglich-braunschweigsche Amt Forst befand. Dort, wo die Wesermündung beginnt, entstand in den frühen 70 Jahren der Sound, für den Deutschland seither weltweit beliebt ist!
Obwohl Michael Rother in den 1960er Beat-Ära bereits als Gitarrist der Düsseldorfer Formation Spirits of Sound agierte, wurde er der großen Öffentlichkeit subjektiv erst 1971 durch einen Auftritt im Bremer „Beat-Club“ des Regisseurs Mike Leckebusch († 2000) als Mitglied einer legendären Urformation der deutschen Klang-Pioniere Kraftwerk bekannt. Während Florian Schneider Querflöte / Keyboard bediente, begleiteten ihn Rother (Gitarre) sowie Klaus Dinger († 2008; Schlagzeug) in einer Trioformation. Langhaarig, fernab dem späteren „Computer-Image“ der musikalischen „Roboter“. Dinger und Rother verließen jedoch zeitnah das Kraftwerk, um mit ihrem Duo NEU! von 1972-75 drei bahnbrechende Alben zu veröffentlichen, auf deren Inhalte sich später laut eigenen Aussagen der nachfolgend benannten Musiker u.a. David Bowie, Brian Eno, Radiohead, Sonic Youth beriefen. Auf NEU! folgte (teilweise parallel) das Projekt Harmonia. Mitglieder waren neben Rother die damals ebenfalls auf dem Anwesen in Forst lebenden Musiker Dieter Moebius († 2015) und Hans-Joachim Roedelius. Selbst Brian Eno spielte mit Harmonia eine LP ein. Bowie versuchte, Rother als Gitarristen für seine Band zu gewinnen – was lediglich durch ein Missverständnis Dritter scheiterte. Abermals Bowie, The Human League bzw. u.a. die Red Hot Chili Peppers outeten sich später als Harmonia-Fans. Doch auch Harmonia zerbrach.Rother war folglich „gezwungen“, solo weiterzuarbeiten. Unterstützt wurde er dabei auf seinen ersten vier Soloalben „Flammende Herzen“ (1977), „Sterntaler“ (1978), „Katzenmusik“ (1979) und „Fernwärme“ (1982) vom Schlagzeuger Jaki Liebezeit († 2017), der bereits mit der Kölner Band Can selbst Musikgeschichte geschrieben hatte. Diese vier Werke sind nun von Herbert Grönemeyers Label „Grönland“ in einer opulenten LP-Box bzw. als 5-CD-Box (plus der Soundtracks zu „The Robbers“ / „Houston“ aus den Jahren 2013/2012) wieder-veröffentlicht worden. Die Westzeit traf den 1950 in Hamburg geborenen Rother zwischen „Mittagstisch“ und „Spiegel-Interview“ in Berlin.
Warum wurden nicht alle zehn Soloalben in einer Box veröffentlicht? Rother: „Herbert Grönemeyer hat vor kurzem eine komplette Box mit seinen Werken herausgebracht. Seine Fans haben das nicht nachvollzogen. Sie haben die Box nicht wirklich gekauft. Ich hatte ursprünglich überlegt, eine von Jon Savage kuratierte Song-Kopplung aus dem Gesamtwerk herauszugeben. Doch diese Idee gefiel mir dann doch nicht so gut, wie die Veröffentlichung der Originale in einer Box.“
Wie haben die Kollegen von Harmonia die Soloerfolge aufgenommen? Hat der mittlerweile in Wien lebende Roedelius zur Zeit der Solo-VÖs noch mit in Forst gewohnt? Rother: „Roedelius ist bis einschließlich der `Katzenmusik´, bis 1979 in Forst geblieben. Für meine beiden früheren Mitstreiter war es sicher nicht ganz einfach, dass ich plötzlich den Erfolg hatte, den wir uns mit Harmonia gewünscht hatten, als bei mir plötzlich die (Stern)Taler ins Haus kamen. Doch die Beiden hatten mir das Projekt ja vor die Füße geworfen. Sie wollten nicht mehr. Sie haben ein Album zu früh aufgegeben. So war die Situation, dass ich allein eine Platte machen musste. Abermals mit Dinger zusammenarbeiten wollte ich damals nicht. So war es ein Glück, als Jaki Liebezeit zusagte. Ich kannte seinen Schlagzeugstil, wusste, dass er ein großartiger Schlagzeuger war. Ich habe ihn einfach angerufen, er hat gleich zugesagt.“
Warum kam als fünfte CD eine Scheibe mit den Soundtracks von zwei relativ neuen Filmen dazu? Rother: „Es war für mich eine naheliegende Entscheidung. Außerhalb der Filme war die besagte Musik bisher noch nicht veröffentlicht worden. Für diese Box habe ich die Songs dann jedoch noch umgearbeitet.“
In Kurzform, ohne dabei natürlich jedem einzelnen Titel gerecht zu werden, kann man die insgesamt 44 CD/LP-Tracks (eine signierte Vinylversion war bereits vor VÖ ausverkauft) subjektiv als sphärische, jeweils sehr individuell in Wohlklang gekleidete, instrumentale Höhenflüge bezeichnen. Die amerikanische Musikerin Kristin Kontrol brachte es ungefragt in einem Interview zu ihrem Soloalbum 2016 einmal auf den Punkt: „Oh, ich liebe Rothers Album `Katzenmusik´. Es ist eins meiner beiden Lieblingsalben. Ich höre es immer, wenn ich im Flugzeug fliege!“
Aktuelles Album: Solo (5 CD-Box) (Grönland)
Weitere Infos: https://www.groenland.com/product/michael-rother-solo-boxset/