Hardcore ist und bleibt ein sehr direktes Sprachrohr, das dem Ausdruck verleiht, was die Seele bedrückt. Und das in aller Härte, sehr präzise und stets unverschnörkelt auf den Punkt gebracht. Ein langjähriger Vertreter aus der Szene-Hauptstadt New York ist Biohazard, eine Band, die stets auszudrücken vermag, was so mancher in sich hinein frisst. Auch wenn 9/11 schon eine Weile zurück liegt ist das Thema nach wie vor präsent und heikel zugleich. Wie direkte Nachbarn dieses Ortes der Tragödie mit all dem umgehen, berichtete Bassist/Sänger Evan Seinfeld im Rahmen der Eastpak Resistance Tour.
Nun ist mit "Kill Or Be Killed" ein erster Schritt in Sachen Vergangenheitsbewältigung erschienen. Die auffallend tiefe Stimmung der Saiteninstrumente auf dem neuen Album spricht eine Sprache für sich. "Eigentlich haben wir unsere Instrumente schon immer tiefer gestimmt, aber diesmal habe ich die Jungs angetrieben, noch ein bisschen tiefer zu gehen, was sich besonders in den langsamen Parts anhört, als würdest du mit ganz dicken Eiern direkt in der Hölle sitzen." Und genau diese drohen jeden Moment zu platzen. Das letzte Album "Uncivilization" erschien an jenem schicksalsträchtigen Tag, der die Welt für immer verändern sollte, und kaum mehr als ein Jahr danach gibt es schon neuen Stoff. Brauchte man keine Zeit, um sich davon zu erholen? "Wir haben nicht sehr lange für das neue Album gebraucht, das war in 13 Tagen aufgenommen. Eigentlich könnten wir alle zwei Monate eine Platte machen. Irgendwie machen Biohazard immer wieder die gleiche Scheibe, aber irgendwie wachsen wir auch immer und verändern Dinge. Wäre unser Debüt nicht selbsbetitelt gewesen, hätte es "Survival Of The Fittest" geheissen. Und nun geht es eigentlich immer noch um das gleiche Thema. Der Name "Kill Or Be Killed" klingt böse, aber eigentlich ist er eher traurig. Es ist sehr traurig, dass wir in einer Welt leben, in der du töten musst oder getötet wirst. Und weisst du was? Jetzt hast du keine Wahl mehr! Du musst töten oder du wirst getötet. Also bereite dich darauf vor, zu kämpfen. Das ist kein Leitmotiv, wir haben all das ja nicht geplant. All unsere Alben thematisieren die ganzen Gefahren und Risiken der Welt: Krieg, Gewalt, AIDS, Tod, Drogen, Depression, Angst – all diese Sachen, die uns in einer Welt, die langsam aber sicher die Kontrolle über sich selbst zu verlieren scheint, nachdenklich stimmen. Und dann dieser verdammte Tag, der 11. September, an dem "Uncivilization" erschien, eine Platte, die von Menschlichkeit handelt. Wir waren Augenzeugen von dem, was mit dem World Trade Center geschah, wir wohnen ja quasi nur ein paar Meter entfernt und der Rauch wehte uns ins Gesicht. Das hat uns alle für immer verändert. Es ist nicht das gleiche, wenn ihr das in Deutschland im Fernsehen seht, das wirkt doch irreal. Wir wollen trotz allem Übel immer etwas Positives erhalten und mithelfen, dass diese Welt ein schöner Ort bleibt, und dieses Album drückt einfach aus, dass wir nicht mehr können. Wir haben keine Antworten mehr und wollen nur schreien. Darum ist das Album so fokussiert, darum ist die Stimmung so tief, darum ist es so schnell, so aggressiv, so direkt, so brutal. Weil wir uns im Moment genau so fühlen." Ein tiefer Seufzer folgt auf diesen Monolog und lässt die Bilder von damals wieder präsent werden. "Das schöne ist, dass die Leute unsere Texte lesen und verstehen. Sie vertsehen, dass all das keine Fiktion ist. Es interessiert sie nicht, ob ich dick oder dünn bin, ob ich Haare habe oder ein Glatze, sie interessieren sich für unsere Musik und unsere Messages. Und wir arbeiten hart dafür, doppelt so hart wie eine Band, die einen fröhlichen Song hat, der absolut nichts bedeutet. Aber mir macht es nichts aus, hart zu arbeiten, weil mein Vater damals zu mir sagte: Harte Arbeit bildet den Charakter! Nimm das als Lektion mit nach Hause."Aktuelles Album: Kill Or Be Killed (Steamhammer/SPV)