Seit mehr als 30 Jahren ist Thalia Zedek nun bereits eine treibende Kraft im musikalischen Untergrund: Als Drahtzieherin bei Kultbands wie Dangerous Birds oder Uzi machte sie sich genauso einen Namen wie mit der New Yorker Noise-Combo Live Skull, den Blues-infizierten Bostoner Indierockern Come und ihren wunderbaren Solowerken im neuen Jahrtausend. Dennoch ist die Amerikanerin mit der markant rauen Stimme derzeit aktiver denn je. Ihre beiden aktuellen Alben "Via" und "SIX" sind nämlich nur die Spitze des Eisbergs.
Letztes Jahr brachte die 52-Jährige die Originalbesetzung von Come passend zum Deluxe Reissue ihres phänomenalen 1992er-Debüts "Eleven:Eleven" für eine Tournee erneut zusammen, mit Jason Sanford von Neptune und Alec Tisdale von Bad Man gründete sie die Band E, die dieser Tage ihre Debüt-7" vorlegt, und zudem hat sie am neuen Album von Wrekmeister Harmonies mitgewirkt. "Zu schreiben und zu spielen begeistert mich momentan einfach sehr – und deshalb versuche ich, so viel zu machen wie möglich", erklärt sie ihre Arbeitswut im WESTZEIT-Interview. Nicht zuletzt die Come-Reunion hat bei ihr zu einem Umdenken geführt: "Innerhalb des letzten Jahres ist mir bewusst geworden, wie viel Energie ich daraus ziehe, an vielen verschiedenen musikalischen Projekten beteiligt zu sein."Positiv abgefärbt hat der Blick über den Tellerrand aber auch auf die Thalia Zedek Band. Auf den binnen Jahresfrist veröffentlichten Alben "Via" und "Six" hat Thalia ihre Vision eines Neo-Psychedelik-Chamber-Folkrock gemeinsam mit ihren hochkarätigen Mitstreitern David Michael Curry an der Viola, Mel Lederman am Piano, Winston Braman am Bass und Neuling Jonathan Ulman am Schlagzeug endgültig perfektioniert. Zudem gab sich die sonst so emotionale Musikerin auf der LP textlich geradezu versöhnlich. Das unlängst veröffentlichte Minialbum "SIX" kommt da fast einem düsteren Zwilling gleich. Solomomente setzen erstmals wirkungsvolle Kontrapunkte zum ansonsten so mitreißend-dichten Band-Sound und rücken statt der Musik die Texte in den Fokus. "Mit Viola, Piano, Bass und Schlagzeug zu spielen, sorgt für eine ungemein reichhaltige Klangpalette, aber manchmal ist sie fast schon ZU reichhaltig, vor allem, wenn alle bei allen Songs mitspielen", glaubt die Sängerin und Gitarristin. "Deshalb war es eine bewusste Entscheidung, bei einigen Songs dem Gesang mehr Platz einzuräumen. Ich wollte einfach einiges anders machen. ´Fell So Hard´ hatte ich bereits in einer spartanischen Version als Bonustrack für 'Via' aufgenommen, aber sobald ich die Nummer dann mit der Band spielte, änderte sich die komplette Stimmung des Songs. Das gefiel mir so gut, dass ich das Band-Arrangement unbedingt aufnehmen wollte. Bei ´Afloat´ war es umgekehrt. Ich hatte mir das Stück immer als Band-Song vorgestellt, aber als ich das Stück letzten August ein paarmal solo spielte habe, erhielt ich darauf sehr positive Rückmeldungen. Also dachte ich: Warum nehme ich es nicht einfach so auf?"
Neben all ihren Studioaktivitäten hat Thalia mit ihrer Band gerade auch eine umjubelte Europa-Tournee beendet. Während unablässige Gastspielreisen in Zeiten der einbrechenden Plattenverkäufe bisweilen als notwendiges Übel betrachtet werden, kann sich Thalia auch nach mehr als drei Jahrzehnten on the road kaum etwas Schöneres vorstellen. "Ich liebe es, zu reisen, ich liebe es, neue Menschen kennenzulernen, und ich liebe es, Musik zu machen, deshalb genieße ich das Touren wirklich sehr", bestätigt sie. "Die meisten Musiker, die ich kenne, sind gerne unterwegs. Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen der Musik und dem Reisen, die zurückgeht auf die umherziehenden Spielleute? Das Unterwegssein ist für mich ein integraler Bestandteil des gesamten Prozesses des Musikmachens, und sobald ich eine längere Pause einlege, fühle ich mich rast- und ruhelos."
Aktuelles Album: "SIX" (Thrill Jockey/Rough Trade)
Weitere Infos: www.thrilljockey.com/thrill/Thalia-Zedek Foto: Lana Caplan