Das just erschienene selbstbetitelte Album von E mag das Debüt dieses Bostoner Power-Trios sein, Newcomer sind die drei Gesichter hinter dem knappen Bandnamen aber nicht. Thalia Zedek mischt bereits seit vier Jahrzehnten mit Uzi, Live Skull, Come und ihrer Thalia Zedek Band den Untergrund ihrer Heimatstadt auf, Jason Sanford baut für die Aufnahmen seiner Experimental-Noise-Band Neptune die Instrumente selbst, und Gavin McCarthy lotete einst mit Karate die Grenzen zwischen Indierock und Post-Rock aus. Kein Wunder also, dass ihr gemeinsamer Erstling eine vor Energie sprühende Großtat ist!
Auf ihrem ersten Album erforschen E die dunkle, krachige Seite ihrer jahrzehntelangen Songwriting-Erfahrungen und verbinden dabei echte, ungefilterte Emotionen mit einem oft betont unnachgiebigen Industrial-Sound. ´Soulmusik für Maschinen´ nennen sie das selbst, wenn in ihren Songs ein minimalistisches Klangbild auf ungewohnte Akkorde und die ungebremste Power aus dem Spannungsverhältnis von zwei Gitarren und Schlagzeug treffen. Das Aufregende dabei ist, dass sich die drei bei ihrer Kollaboration vollkommen in den Dienst der Sache stellen und einen Sound kreiert haben, der zwar an ihre musikalische Vergangenheit andockt, am Ende aber mehr und etwas anderes ist als nur die Summe der einzelnen Teile. Die Freude der Musiker daran, sich außerhalb ihrer Wohlfühlzone umzuschauen und auszutoben, ist auf der Platte allgegenwärtig. Für Thalia Zedek ist E nach mehr als 15 Jahren mit ihrer Thalia Zedek Band (die erst im Sommer das brillante Album ´Eve´ veröffentlicht hat) eine willkommene Gelegenheit, aus dem alltäglichen Trott auszubrechen.„Ich wollte, dass sich mein musikalisches Spektrum weiter verzweigt, damit ich als Musikerin wachsen kann“, verrät Zedek im Westzeit-Interview. „Ich hatte das Gefühl, dass ich an einem Punkt angekommen war, wo ich das nicht in dem Maße tun konnte, wie mir das vorschwebte. Neue Dinge in Angriff zu nehmen, ist der beste Weg für mich, besser in dem zu werden, was ich tue. Am Ende des Tages befruchtet sich so die Arbeit mit meinen verschiedenen Projekten gegenseitig.“
Doch auch wenn für Zedek all ihre Bands (neben der TZ Band und E derzeit auch noch das experimentelle Trio Dyr Faser mit ihrem alten Mitbewohner Eric Boomhower und Kate Murray) Teil eines großen Ganzen sind, hat gerade E doch eine ganz eigene Identität.
„Bei E ist der Schreibprozess ein völlig anderer, weil wir die Songs gemeinschaftlich entwickeln“, erklärt sie. „Bei der TZ Band bin ich die alleinige Songwriterin. Also setze ich mich daheim hin und bringe dann einen fertigen Song mit zur Probe, den wir zusammen arrangieren. Manchmal kommt es vor, dass mir ein Riff in den Sinn kommt und ich mich frage, ob das nun für die TZ Band oder E sein soll, aber für gewöhnlich entstehen die Sachen von E, wenn wir alle gemeinsam im Raum sind.“
Bezeichnenderweise wurden zwei der Songs auf dem Debütalbum, ´Silo´ und ´Treeline´, gar nicht im Studio eingespielt. Sie entstanden live auf der Bühne während eines Auftritts im New Yorker Cakeshop Ende Oktober 2015. Doch diese Art der Unmittelbarkeit gefällt Zedek ganz besonders.
„Ich mag Musik, die ganz schlicht gehalten ist“, gesteht sie. „Ich frage mich immer: Wie sehr kann ich die Musik auf ihren Kern reduzieren, ohne dass sie an Gehalt verliert? Das ist mein Ziel.“
Das Ergebnis ist eine oft aufrührerische Platte, die mit ´The Candidate´ auch einen beißenden Kommentar zur derzeitigen politischen Lage in den USA enthält. Doch auch wenn in Zedek das Feuer der Leidenschaft für ihr Tun inzwischen wieder vollends entfacht ist und sie sich ganz besonders auf die im Januar anstehende Tour von E durch Deutschland und den Rest von Europa freut – vor einigen Jahren war die inzwischen 55-Jährige kurz davor, alles hinzuwerfen.
„Zwischen 2008 und 2010 habe ich mich gefragt, wie lange das alles noch gutgehen kann und ob ich nicht besser meinen Weg überdenken sollte. Das waren zwei der trübseligsten Jahre meines Lebens!“, erinnert sie sich und muss lachen. „Nachdem ich meine Erwartungen etwas zurück gefahren hatte, entschied ich mich dann, einfach mit der Musik weiterzumachen und nicht zu viel zu grübeln.“
Wie richtig diese Entscheidung war, unterstreicht nun das brillante Debüt von E.
Aktuelles Album: E (Thrill Jockey / Rough Trade)
Weitere Infos: abandcallede.com Foto: Ben Stas