"Heute geht es bei uns viel entspannter zu als früher", sagt Superchunk-Gitarrist Jim Wilbur im Westzeit-Interview über den erstaunlichen Verve, mit dem die wohl beste US-Indierock-Band der 90er-Jahre auch auf ihrem just erschienenen neuen Album ´I Hate Music´ zu Werke geht. "In den 90ern fühlte es sich bisweilen wie ein Job an. Wir standen unter Druck und mussten die Maschine am Laufen halten. Jetzt machen wir nur noch Musik, wenn uns danach ist, und das ist ein viel größeres Vergnügen."
Kein Wunder also, dass ´Majesty Shredding´ mehr war als nur der Titel der 2010er-Comeback-LP von Superchunk, es war praktisch eine Inhaltsangabe. Nach neun Jahren ohne Album und mit nur vereinzelten konzertanten Lebenszeichen stürzte sich das Quartett aus Chapel Hill, North Carolina, mit geradezu jugendlich anmutendem Leichtsinn in mitreißende Songs an der Schnittstelle von Punk, Garagenrock und Power-Pop und lieferte so das beste Album seiner Karriere ab."2002 war es so, dass zwei Leute in der Band alles hinwerfen wollten und zwei nicht", verrät Jim. Er nennt zwar keine Namen, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass er und Sänger/Gitarrist Mac McCaughan diejenigen waren, die Superchunk am Leben halten wollten, während Bassistin Laura Ballance und Drummer Jon Wurster für einen unwiderruflichen Abschied plädierten. "Der Kompromiss war eine Pause", erinnert sich Jim. "Ich wollte nicht, dass die Band stirbt, obwohl auch ich eine Hassliebe zum Rock´n´Roll-Leben entwickelt hatte. Ich hasse das Reisen auf Tour, und bei jedem Aufenthalt an einem Flughafen denke ich, dass ich viel lieber zu Hause wäre. Aber jedes Mal, wenn wir dann Konzerte spielen, habe ich das Gefühl, dass wir lohnende Arbeit abliefern, so hart es auch manchmal ist."
Doch auch wenn Superchunk musikalisch heute noch den gleichen Idealen wie vor all den Jahren frönen – die Herangehensweise ist seit der Rückkehr vor drei Jahren allerdings eine andere.
"Früher, als wir alle ein, zwei Jahre eine Platte gemacht haben, war unsere Arbeitsweise viel kollaborativer als heute", verrät Jim. "Damals haben wir uns im Proberaum getroffen, uns angestarrt und Ideen in den Raum geworfen. Letztlich hat das dazu geführt, dass wir unglaublich viele Kompromisse machen mussten, um all unsere Vorschläge unter einen Hut zu bringen. Dadurch wurden unsere Platten gegen Ende der 90er immer – wie soll ich sagen? – diffuser."
Heute hingegen schreibt Mac die Songs und die anderen veredeln sie anschließend nur noch.
"Das hat zur Folge, dass unsere Platten jetzt viel fokussierter sind als vor unserer Pause und viel mehr Zusammenhang haben – und das gefällt mir sehr", unterstreicht der Gitarrist. "Es macht es uns als Band viel leichter, und außerdem vermitteln wir so eine viel eindeutigere Vision."
Das gilt auch für das neue Album, ´I Hate Music´, das die Amerikaner als den ´düsteren Zwilling´ des Vorgängeralbums beschreiben.
"Die neue Platte ist ein wenig dunkler und nicht so ausgelassen und überschäumend wie der Vorgänger", ist Jim überzeugt. Das liegt vor allem an den Texten, die zu einem großen Teil unter dem Eindruck des Todes eines engen Freundes der Band entstanden und sich durchgängig mit Themen wie dem Älterwerden und Verlust beschäftigen und deshalb eine bislang von Superchunk in diesem Maße nicht bekannte In-sich-Gekehrtheit und Traurigkeit widerspiegeln, die sich auch auf die Musik niedergeschlagen hat. Die ist immer noch unglaublich energiegeladen, klingt aber dieses Mal nicht so aggressiv und angriffslustig wie in der Vergangenheit.
Dass auch das neue Werk wieder auf dem von Mac und Laura gegründeten Label Merge Records erscheint, mag nach außen hin als ein Bekenntnis zum DIY-Ethos erscheinen, doch laut Jim ist das ein Irrglaube, wie er abschließend erklärt:
"Wir wurden immer gerne als Paradebeispiel des DIY angeführt, als hätten wir dogmatische, idealistische Hintergedanken bei unserem Tun, dabei hielten wir es schlichtweg für eine gute Geschäftsidee. Wir haben Majorlabel nie als bösartig erachtet, aber wir haben gewusst, dass sie dich als Band nicht unterstützen. Deshalb sind wir lieber unseren eigenen Weg gegangen. Das war allerdings keine ideologische Entscheidung, sondern eine praktische!"
Aktuelles Album: I Hate Music (Merge Records/Cargo)
Weitere Infos: www.superchunk.com Foto: Jason Arthurs