„Wir sind keinesfalls die gefährlichste Sex & Drugs & Rock´n´Roll- Band dieser Welt! Wir mögen es, einfach normale Jungs aus Helsinki zu sein. Natürlich passiert mal etwas, wenn wir unterwegs sind, wir haben Spaß. Aber wird sind eben keine Gothic-Magazine-Typen, die eine große Nummer daraus machen, wenn sie Betrunken waren. Für uns ist es das Wichtigste, zusammen Musik machen zu dürfen, dass ist es, worüber wir gerne reden!“
Samu Haber ist ein netter sympathischer Kerl, der nicht viel Aufsehen um sich und seine Gruppe macht – dennoch gibt er gleich die Zielrichtung vor: Skandale gibt es nicht! Keine Boulevard-Geschichten. Just Music. Das sollte reichen. Haber, dessen Vater aus Deutschland stammt, ist nicht nur Sänger & Rhythmus-Gitarrist des Quartetts, er besitzt sozusagen auch die Namensrechte, komponiert die Songs von Sunrise Avenue. Zusammen mit Paul Ruutu (E-Bass) ist er einziges verbliebenes Originalmitglied. Schlagzeuger Sami Osala stieß 2005 dazu, Lead-Gitarrist Riku Rajamaa debutierte in 2007. Der Durchbruch gelang den 4 Musikern in unseren Gefilden.„Deutschland war das erste Land, dass uns liebte. Natürlich haben wir in Finnland vorher Konzerte gespielt oder sind im Radio gelaufen, doch ohne die Deutschen wäre unsere Karriere dort anders verlaufen. Deutschland ist ein hervorragender Platz, um eine Karriere zu starten. Hier gibt es eine fantastische Musik-Szene!“
Kein Wunder also, dass hier bereits 3 Platin-Scheiben (+ 1x Gold) an die Finnen ausgeliefert wurden, während daheim lediglich eine Platin-CD (+3x Gold) zu Buche steht (dazu kommt noch 1x Platin & 2x Gold in Österreich, 2x Gold in der Schweiz, sowie einmal Gold in Schweden). Was macht also nun eine Band aus, von deren Mitgliedern deren Plattenfirma seinerzeit Sinngemäß behauptete, die Musiker würden nicht eben gut aussehen, man frage sich, warum dermaßen viele Fans der Formation folgen...
Haber: „Da habe ich keine Idee,... Eventuell liegt es einfach an der Musik... Es ist immer ein bisschen dunkel in Finnland, vielleicht bringen wir damit ein wenig Licht in unsere Leben. Wir sind eben nicht die typisch-finnische Dark Metal-Band, sondern wir legen unser Augenmerk mehr auf amerikanische oder englische Musik.“
Haber nennt „alles von den Beatles bis zu Bon Jovi, aber auch Metallica und die Foo Fighters“ als seine Inspirationsquellen. „Es gibt so viele tolle Bands auf der Welt!“
Okay, genug der Komplimente, diskutieren wir die neue DVD.
Der 30.03. ist streetday für ein neues Live-Produkt mit Namen ´Out Of Style – Live Edition´. Während die CD-Version die (subjektiven) Höhepunkte der Herbsttour 2011 vereint, kommt die DVD-Variante mit dem gesamten Konzert aus der ausverkauften Berliner Columbiahalle daher, wo die Finnen am 27.10.11 vor 3500 Fans performten. Neben den Hits der Mannen um Haber gibt es zudem einige Neuinterpretationen alter Klassiker (Bob Marley´s „No Woman, No Cry“; Billy Idol´s „White Wedding“ / „Rebel Yell“).
Haber: „Coverversionen hatten wir immer schon im Repertoire. Als z.B. Michael Jackson vor 3 Jahren gestorben ist, spielten wir 1-2 seiner Stücke in unseren Festival-Sets. Eine Zeitlang haben wir David Hasselhoff´s `Looking For Freedom´ gespielt – ein Joke wohlgemerkt. Als Kind habe ich zeitweise gern `Baywatch´ mit Hasselhoff geguckt...“
Humor haben sie, die Finnen. Das belegen nicht nur einige Antworten Habers, sondern weitere Kostproben des „DVD-Konzerts“: Die Titelmelodie von „Dallas“ wurde ebenfalls angespielt...
„Jaa. Unser Gitarrist mag es, die Melodie auch z.B. während des Soundchecks zu spielen. Lustig. Ich erinnere jedoch nicht, wessen Idee es ursprünglich war.“
Um die Live-DVD vorzustellen, wurden Anfang Februar diverse UCI-Kinos in Düsseldorf, Köln, Berlin, Hamburg (dort zeitgleich 3 Lichtspieltheater!) etc. ausgewählt, um Journalisten und zahlenden Fans jenes Berliner Konzert vor Augen zu führen. Sunrise Ave höchst selbst verfolgten ein Screening im Ruhr Park zu Bochum. Als der Track ´Wonderland´ angestimmt wurde, klatschten die Fans im Kinosaal (des UCI in HH-Othmarschen, wo der Rezensent dieser Zeilen verweilte). Applaudierten sich die Protagonisten in Bochum ebenfalls?
„Es war schon seltsam, mitten zwischen den klatschenden Fans zu sitzen. Es war cool! Ein wenig haben wir selbst natürlich auch mitgeklatscht, aber nicht so viel wie die Leute. Es war nicht unsere Idee, dennoch war es cool, zusammen mit den Leuten den Konzertfilm anzusehen. Irgendwie hatte es was davon, in unserem eigenen Konzert zu Besuch zu sein. Auch waren wir etwas nervös, denn wir hatten das Material vorher nicht gesehen.“
Im Hamburger Kino, wie auch in Bochum (die Ankunft der Musiker vor Ort wurde in die anderen Kinos live übertragen) waren mehr Frauen als Männer im Publikum.
„Ich habe nicht drauf geachtet, kann gut sein, dass mehr Girls denn Guys anwesend waren.“
Haber lachte, als er erfuhr, dass der Autor dieses Interviews 90 Kilometer anreisen musste, um die Hamburger Vorstellung verfolgen zu können.
„Ihr Deutschen mögt es doch gerne, Auto zu fahren, oder?“ By the way, es hat sich gelohnt. Der Sound war gut, die bewegten Bilder faszinierend. Auch der familiäre Aspekt wurde nicht außer Acht gelassen. Der Konzertfilm enthält eine Szene, in der Haber seinem Vater zuwinkt, ihn begrüßt.
„Ich wusste, dass mein Vater sich die Übertragung der Show anguckt. Vater wusste, dass ich krank war. Ich wollte ihm lediglich zeigen, dass es mir gut geht. Es kam einfach so aus mir heraus.“
Sowohl zwei Tage vor der besagten Show, als auch direkt am Auftrittstag hatte Haber aufgrund einer starken Erkältung das Bett hüten müssen.
„Es war ein sehr rauer Tag. Glücklicherweise sieht man das im Film nicht.“
Na ja, im Film sieht man aber ganz deutlich den kleinen Hilfespender aus einer Flasche mit ´nem Hirschen drauf...
„Die Leute dachten, es wäre ein Witz. Doch der Jägermeister hilft Dir wirklich, wenn du eine kranke Kehle hast. Es hilft ein wenig, denn der Alkohol nimmt irgendetwas weg. Ja, ja, so war das vor fast sechs Monaten...“
Jugendfrei ist das nicht. Obwohl doch auch sehr junge Fans zugucken...
“Deine elfjährige Tochter mag Sunrise Ave? Das ist wirklich verrückt! Es ist cool, wenn so junge Kids zu unseren Shows kommen. Ebenso gern haben wir natürlich die älteren Besucher. Es beweist, dass das, was wir tun, nichts mit Fashion oder dergleichen zu tun hat. Wir sind kein trendy Ding. Die Musik macht´s... kleine Kinder und alte Menschen kommen zusammen. Deine Tochter sollte unbedingt zu einer unserer nächsten Shows kommen!“ Und tatsächlich: Haber hielt Wort, lud Tochter & Vater zwei Wochen nach dem Interview nach Hamburg ein, inklusive Handshakes backstage. Menschlich, korrekt! Ebenso korrekt war das Auswahlverfahren für die Setlist. Sunrise Avenue ließen via Facebook die Fans abstimmen, welche Titel sie sich wünschten. Haber:
„Manchmal ist es wirklich hart, heraus zu finden, was die Leute wirklich hören möchten. Unsere Frage diesbezüglich bei Facebook half uns, unser Set aufzubauen!“
Nun gut, verlassen wir den Werbeblock abermals, um der Wirkung der Musik gerecht zu werden. Wenige Wochen vor dem nun veröffentlichten Konzert aus der Berliner Columbiahalle gastierten Sunrise Avenue bereits am Brandenburger Tor in der Hauptstadt.
„Das war eine der coolsten Festival-Shows, die wir je gespielt haben. So groß – 760.000 Menschen waren da. Magisch! Wir hatten an jenem Oktober-Nachmittag noch 23 Grad Celsius. So warm... Dennoch mag ich die kleinen Club-Shows sehr sehr gerne, denn dort haben wir unsere eigene `Masse´, es ist einfach viel intimer!“
Und Intimitäten gehören in den Boulevard, nicht in ein Musikmagazin. Fakt ist, Sunrise Avenue haben nach drei Studioalben ein hervorragendes zweites Live-Epos geschaffen. Denn Sunrise Avenue sind weder finnische Gothics, noch eine Dark Metal-Band. Sie sind einfach sie selbst. That´s it!
Aktuelle DVD/CD: Out Of Style - Live Edition (EMI) VÖ: 30.03.
Weitere Infos: www.sunriseavenue.de/sun Foto: Ville Juurikkala