Was für ein Bild prangt da auf der CD-Hülle? Ein kleines Mädchen schaut bass erstaunt auf ein Gestell, an dem üblicherweise Schaukeln hängen. Dort baumeln momentan vier Galgenstricke. Eine passende Zierde für die 17. Studioplatte einer Band, die sich The Stranglers, also Die Würger, nennt. Es sind nur noch zwei Jahre bis zum 40. Bühnenjubiläum und drei der Gründungsmitglieder sind bis heute an Bord: Bassist und Sänger Jean-Jacques Burnel, Schlagzeuger Jet Black sowie Dave Greenfield am Keyboard.
Obwohl anzumerken ist, dass er erst im Jahr Zwei der Bandgeschichte einstieg. Die Gitarristenstelle ist über die Jahre immer eine Einwechselposition. Derzeit von Baz Warne ausgefüllt, gibt er dort aber schon seit 2000 eine äußerst gute Figur ab. Und wer, wie The Stranglers, schon so viele Tage in der Szene verbracht hat, der darf sein aktuelles Album auch mal ganz großmäulig ´Giants´, Giganten nennen.Kreative graumelierte Herren
Großtuerisch und auch rauflustig, das war der Ruf, der The Stranglers lange Zeit voraus eilte und schon mal zu munteren Prügeleien während der Konzerte. Sie gründeten sich zwar während der aufkommenden Punkhysterie, stellten aber durch den pop-orientierten Einsatz von Dave Greenfields Hammond Orgel einen Gegenpol dazu dar. Wies die Musikästhetik doch bei ´No More Heroes´ oder ´Peaches´, beide aus dem Jahre 1977, den Weg vielmehr in Richtung New Wave, als in Richtung Punk. Immer mehr Punkjünger gehen von der Fahne, als The Stranglers 1981 mit ihrer Ballade ´Golden Brown´ ihre bislang erfolgreichste Single ins Rennen schicken und dabei erneut an der Tastenfront für Aufsehen sorgen. Als Melodiestimme verwendet Dave Greenfield ein Cembalo. Alle die, die damals nicht endgültig und bis an ihre Lebensende beleidigt abgezogen sind, die halten The Stranglers die Treue. Und werden nach sechs Jahren Wartezeit mit dem Album ´Giants´ belohnt. Belohnt deshalb, weil die alten, graumelierten Herren kreativ noch immer etwas zu sagen haben.
Lust am Spiel
The Stranglers waren sechs Jahre weg. „Nun, wir waren auf Gastspielreise“, erklärt Jean-Jacques Burnel, „die beiden Platten vor ‚Giants’ waren so erfolgreich, dass wir weltweit gefragt waren, wie lange nicht mehr. Und auch wenn du es nicht glaubst, wir haben alle noch ein Leben außerhalb der Musik.“
Die Musik auf „Giants“ erinnert mit Macht an die Strangler’sche Rauheit der frühen Jahre, die sich am süßlichen Pop der späteren Jahre reibt, dass die Funken fliegen.
„Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund“, verrät Jean-Jacques Burnel, „wir spielen mit Riffs, mit Melodiebögen so voller Neugier, als würden wir zum ersten Mal ein Lied schrieben. Für uns ein Stück ist erst dann fertig, wenn wir es kreativ so lange gefüttert haben, bis es prall im Leben steht. Im rauen und im leichten gleichermaßen.“
Die charakteristischen Bass-Linien und das typische Keyboardgeflirre ziehen sich wohltuend durch die Stücke. Die werden mit einer Spielfreude vorgetragen, die schon fast an Spielwut grenzt. Dabei bewahren The Stranglers eine unvergleichliche Souveränität und Abgeklärtheit, die den Liedern noch mehr Kraft und Eindringlichkeit verleiht, als sie eh schon haben. Die Spielfreude führt auf ´Giants´ so weit, dass The Stranglers mit einem Instrumentalstück eröffnen. Und zum Abschied legen sie mit „Adios“ noch einen gepflegten, aber kessen Tango aufs Parkett legen. Respekt, die Herren!
Aktuelles Album: Giants (Coursegood / EarMusic / Edel)