In einem schicken Hotel sitzt Sam Beam, der Bärtige, und raucht genüsslich. Haarig wie ein alter Hippie passt er so gar nicht zu dem Interieur dieser luxuriösen Suite am Berliner Kurfürstendamm. Denn steriler Style ist im musikalischen Wohnzimmer von Iron And Wine eher ein Fremdkörper, eine uninteressante Nebensächlichkeit. Zentral sind dort nämlich ganz andere Dinge.
Sein lokaler Betreuer in Sachen Frage- und Antwortspielchen hatte ihn zuvor noch inständig darum gebeten, das Rauchen im Zimmer doch gefälligst zu unterlassen. Schließlich ist es eine Nichtraucherzelle und der ansässige Hoteldirektor riecht den Qualm nun mal nicht gern. Sam nickte und drehte sich währenddessen die nächste Zigarette. Das wird Ärger geben, was Sam aber nicht juckt. Sam juckt eigentlich alles herzlich wenig. Er wirkt höflich, wenn auch wortkarg und sitzt abflugbereit auf gepackten Koffern. Vieles interessiert ihn nicht, sagt er - hauptsächlich aber all das, was nebenher passiert. Als Vater von mittlerweile einem Quartett von Kindern hat sich bei ihm und in ihm selbstredend viel getan.„So etwas verändert natürlicherweise dein Leben. Egal ob du eins oder zwölf hast - alles wird durch eigene Kinder auf besondere Art und Weise anders in deinem Leben. Deine Sichtweise auf die Dinge verändert sich und damit natürlich auch die Musik, die du machst. Obwohl ich nicht benennen kann, was es ist. Aber das ist ja auch nicht das Ausschlaggebende.”
Auf dem aktuellen Album, dem dritten Studio- respektive Wohnzimmerwerk, hört man, dass sich etwas - abseits des vierköpfigen Nachwuchses - im Hause Iron And Wine getan hat. Es passiert mittlerweile mehr. Im Vergleich zu seinem Debüt „The Creek Drank The Cradle“ von 2002 klingt alles nach mehr Zeit, nach mehr Zurückgelegtheit, nach mehreren Schichten und mehr Bandgedanken. Mehr Perkussives läuft in Kreisen, mehr Atmosphäre zieht in den Bann; mal vorder- und dann wieder hintergründiger. Dichter und einnehmender ist der Sound geworden, es knistert im Lagerfeuer und es kullern die Popperlen, ohne dabei die Referenzen zu solch Einzelkämpfer-Kalibern wie Sufjan Stevens, Nick Drake und Elliott Smith abgelöst zu haben. Die zwischenzeitliche Kollaboration mit Calexico „In The Reins“ war für diese Art der Veränderungen nicht unwichtig, so Beam:
„Im Zuge dieser Zusammenarbeit habe ich gelernt, dass ich anderen Menschen in der Musik vertrauen muss und auch kann.”
Genauso, wie andere auch der Musik von Iron And Wine vertrauen.
Zu diesem Kreis gehört zum Beispiel auch Ben Gibbard. Seines Zeichens Death Cab For Cutie-Köpfchen äußerte er Sam gegenüber bereits vor längerer Zeit den Wunsch, doch „Such Great Heights“ von seinem vermeintlichen Zweitprojekt The Postal Service zu interpretieren. Was eigentlich nur für die B-Seite der Single angedacht war, rutschte auf Zach Braffs „Garden State“-Soundtrack und veränderte vieles - und gleichzeitig auch nichts:
„Dieser Soundtrack-Beitrag war sicher eine wichtige Sache für Iron And Wine. Aber ist der Film eigentlich gut?“ fragt Sam. „Ich habe von vielen Seiten gehört, dass er richtig toll sein soll. Vielleicht sollte ich ihn mir mal anschauen, irgendwann. Vielleicht.”
Ans Herz zu legen ist er ihm in der Tat, handelt er doch von solch tollen Kleinigkeiten wie der Liebe und dem Leben. Aber vielleicht wäre dieser Film für Sam auch zu bedeutungsgeschwängert. Denn damit hat er es nicht so, mit diesen Dingen, die geplant, gespielt und durchdacht sind. Auch der Titel seines neuen Albums „The Shepherd's Dog“ hat keinen tieferen Sinnklotz um den Hals:
„Hier und da taucht ein Hund auf dem Album auf, das ist alles. Natürlich sind das Bilder, die bei mir im Kopf herumspringen und ich auch in Beziehung setzen kann. Aber das ist eine ganz intuitive Geschichte.“
Ähnlich intuitiv und unbewusst hat er die Motown-Leidenschaft seines Vaters, die ausschließlich Countrymusik spielenden Radiosender in seiner Jugendheimat South Carolina und den Skatepunk der 80er Jahre in sich aufgesogen.
„Alles davon spielt so ein bisschen bei mir rein. Aber wie, warum und wo genau - das ist mir völlig gleich.“
Für Sam gibt es keine Kriterien, sondern nur Intuitives, Unbenennbares und Veränderungen. Diese drei Dinge sind für ihn zentral. Denn da spielt die Musik. Und diese ist bei ihm eine ganz intuitive Geschichte, die nur weniger Worte bedarf und eines niemals ist: ein steriler Style, ein restriktives Feld und in gar keinem Fall eine Nebensächlichkeit.
Aktuelles Album: The Shepherd´s Dog (SubPop/Cargo)
Foto: Emily Wilson