Daß Die Sterne aus Deutschlands multimedialer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sind, zeigt sich u.a. daran, daß die Website der Band noch vor allen Astrologie-Pages angelistet wird, wenn man im Internet danach sucht. Die besagte Site www.diesterne.COM ist dann allerdings vergleichsweise ernüchternd und verweist eher auf befreundete Bands wie COW oder Top Banana Trio (das Side-Projekt des neuen Keyboarders Richard Von Der Schulenburg).
Egal: Man muß präsent sein, heutzutage. Zum Beispiel auch im Soundtrack des Ton Steine Scherben Films "Der Traum Ist Aus". Auch wenn die Sterne öfters mal als amtliche TSS-Nachfolger gehandelt wurden, muß doch die Frage sein, was es damit auf sich hat. "Wir waren haben an dem Projekt mitgewirkt", meint Sterne-Sänger Frank Spilker, "nicht produziert oder so, aber wir wurden interviewt und haben das Stück ("Gedanken") freigegeben. Man wird ja doch öfter gefragt, welche Einflüsse denn wichtig seine, für einen selber. Und bei den Scherben kann man guten Gewissens sagen, daß dem so ist." Nun gut: Was die Sterne mit den Scherben zweifelsohne gemein haben, ist der unverkrampfte Umgang mit der Sprache – wovon sich auch auf dem neuen Album wieder einige schöne Beispiele finden. Es gibt auch wieder Wortspielereien wie z.B. "Irrlicht – Irres Licht", oder Scheinübersetzungen à la "Schier Herzattacke" oder "Hängen Hart" – wobei das auch so seine Problemchen mit sich bringt. "Ja, ´wir hängen hart´ klingt irgendwie nicht so gut", gibt Frank zu, "man kann es nicht so richtig verstehen. Ansonsten wäre das vielleicht die erste Single geworden." Was jetzt "Nur Flug" wurde – eine knackige Rocknummer, die auf dem Baßlauf des Los Bravos Hits "Black Is Black" basiert. Zufall? "Ja, das kann man manchmal nicht vermeiden", erklärt das Schlagzeuger Christoph Leich, "das kommt beim Jammen manchmal raus. Man muß sich dann nur dafür entscheiden, ob man versucht, es zu vertuschen, oder ob man bewußt damit spielen will. Wir entscheiden uns meist für Letzteres." Was uns die Jungs unter´m Strich nur noch sympathischer macht. Noch mal zurück zu den Texten: Gibt es da einen roten Faden, der sich durch das Album zieht? Der Begriff "Licht" taucht zum Beispiel öfter auf. "Wir wollten dieses mal ganz eindeutig KEIN Konzept-Album machen", widerspricht Frank, der nach wie vor die Texte schreibt, "wenn überhaupt, dann gibt es verschiedene Hauptthemen, die sich durch sie Songs ziehen: Der normale Liebes-Song "Schier Herzattacke", der Zweifel an Dingen, an die man stets glaubte – "Wir verstehen so manches nicht". In seinen Texten spricht Frank auch öfters den Zuhörer direkt an, oder? "Nee, wenn ich ´Du´ sage, dann ist zunächst mal die Person im Song gemeint, und nicht der Zuhörer", widerspricht er, "es gibt ja auch andererseits Songs, wo es um den Erzähler selbst geht, wie z.B. ´Wahr ist, was wahr ist´." Im Fade-Out dieses Tracks wird immer wieder das Wort "ich" mantra-artig wiederholt. Irgendwie hat man das Gefühl, Frank nimmt seine Texte nicht so wichtig, wie manch einer seiner Interpretatoren. Es fehlt gerade noch, daß er sagt, man solle nicht alles auf die Goldwaage legen. Das tut er indes nicht. Statt dessen weist er noch darauf hin, daß der Rhythmus in der Sprache für ihn das Wichtigste ist – wichtiger noch, als der Reim. (Was u.a. auch die zeitweiligen Affinitäten der Sterne in Richtung Rap erklärt). Vielleicht ist dieses Album aber auch ganz einfach ein besonders lockeres geworden. Wie war denn der musikalische Prozeß beim neuen Album? "Wir wollten zunächst mal ein Band-Album machen", erklärt Christoph, "unser neuer Keyboarder, Richard, wurde ganz bewußt so ausgewählt, daß er zu uns paßt. (Der alte Keyboarder, Frank Will, stieg endgültig aus, um seinem Beruf als Architekt nachzugehen). Er hat auch viel beigetragen. Einige Stücke gehen sogar auf seine Ideen zurück ..." "Moment mal, das haben wir doch gemeinsam entwickelt ...", springt Frank ein – woraufhin sich zwischen den Beiden dann ein Diskurs über ein Orgel-Intro entwickelt. Das macht nicht den Eindruck interner Querelen, sondern zeigt lediglich, daß man sich kein philosophisches Konzept für die Scheibe zurechtgelegt hat – was ja auch ganz gut ist. "Und die Scheibe ist so konzipiert, daß sie endlich mal unsere Live-Energie einfängt", fügt Christoph hinzu, dessen Drums in der Tat eine Menge Pfeffer in die Sache bringen, "einige Sachen haben wir auch live im Studio aufgenommen." Allerdings: Die Sterne hatten doch immer schon gute "Losgeh"-Nummern im Programm. "Was hat Dich bloß so ruiniert", der "Gedanken"-Song – das ging doch gut ab, oder? "Ja, aber wir hatten auch immer die Stücke, die man live nicht so gut umsetzen konnte, wie z.B. die Sachen von den ´Themenläden´", schränkt Frank ein. So gesehen stimmt das schon: Von einigen Passagen abgesehen, sind die neuen Stücke alle ziemlich straight – auch, wenn sie manchmal durch einige unerwartete Zutaten ziemlich aufgemotzt wurden. Die Bio spricht von "unaufdringlicher Opulenz" – was die Sache ganz gut umschreibt. "Es geht nicht darum, opulent zu klingen", schränkt Frank ein, "auf unserer EP "Nur Flug" findest Du ja auch ein Stück was einfach nur mit 6 Saiten aufgenommen wurde – es kommt halt immer auf den Song an. Das mit den Zutaten geht auf den Produzenten Olaf Opal zurück. Er mag es, Sounds hinzuzufügen, aber nicht mit Samples zu arbeiten. So schafften wir also ein echtes Mellotron oder Dudelsäcke heran, anstatt Software zu verwenden oder arbeiteten mit Streichern bei "Wenn Dir St. Pauli Auf Den Geist Fällt" ... das war auch deswegen interessant, weil wir den Song auf andere Art nicht weiterbringen konnten, und die Streicher ihm eine vollkommen andere Richtung gaben." Und was passiert live mit diesen Parts? "Die werden entweder weggelassen oder aber durch andere Sachen ersetzt", erklärt Christoph, "ich denke, bei ´St. Pauli´ werden wir das mit Gitarren machen. Richard steht übrigens auch nicht auf Synthesizer, sondern auf Hammond Orgeln und so ..." Schaun´ wir mal. Die Sterne haben sich entschlossen, schon jetzt – also vor der VÖ der Scheibe zu touren. Eine Frage bleibt noch über: Hat vielleicht der Wechsel zum neuen Label irgendwelche Spuren hinterlassen? "Wir waren bei Sony irgendwie in eine Sackgasse geraten", erzählt Frank – und stimmt damit ein in den endlosen Chorus der Leute mit denselben Erfahrungen, "unser A&R Mensch hatte die Firma verlassen. Der neue fand zwar unsere Musik immer noch gut, aber der Chef fragte nur, was sich denn von den Sternen wohl schon verkaufen ließe. Da haben wir dann lieber nach einem Label gesucht, wo es mehr um die Musik und weniger um das Produkt zu gehen schien." Mit Virgin hat man da jetzt einen neuen Partner gefunden – während die Verbindungen zu L´age d´Or sowieso nie so ganz abrissen. Immer noch werden von dort Sterne News verbreitet. Als Fazit darf festgehalten werden, daß die Sterne 2002 bemerkenswert unverkrampft und erdverbunden zur Sache gehen und jetzt erst mal richtig durchstarten möchten.