Das vierte Album der Brasser um Doc Wenz und Reverend Krug hätte der Soundtrack der heißen Sommernächte werden können. „Heat“ wühlt beständig in den blubbernden Tiefen des Frequenz-Spektrums herum und suggeriert eine gedämpft brodelnde (Lava-)Masse, die sich kontinuierlich schwappend voran arbeitet und die Tanzböden der knisternden Clubs mit dichter Atmosphäre füllen wird.
Die Songs leben, im Vergleich zum Vorgänger „Zen Rodeo“ wieder mehr vom Groove, ähnlich, wie es beim erfolgreichen zweiten Album „Supersmell“ der Fall war. Die Ursachen dafür liegen nach Meinung von Songschreiber, Sänger und Gitarrist Jochen „Doc“ Wenz auf mehreren Ebenen. Nach dem weißen, sehr Singer-Songwriter-orientierten Album „Zen Rodeo“ hatte ich Lust, mal wieder etwas Anderes zu machen. Irgend etwas, das noch introvertierter gewesen wäre, hätte emotional bei mir nicht angestanden. Von der groben Richtung sollte es also wieder unter statt über die Gürtellinie zielen. „Heat“ sollte ein zeitgemäßes, tanzbares Pop-Album werden, das wirklich Punch hat. Was noch hinzu kam und den Effekt verstärkt hat, war die Tatsache, dass das Album aus internen Sachzwängen recht zeitnah eingespielt werden musste, so dass es unsere erste Platte ist, das nicht nach alter Jazz-Tradition im Direktschnitt-Verfahren aufgenommen worden ist.So wurde man mit der ungewohnten Situation konfrontiert, die Songs ganz nach konventioneller Manier Spur für Spur aufzunehmen. Doch aus der Not wurde eine Tugend gemacht und mit den „neuen“ sich daraus ergebenden Möglichkeiten herum experimentiert.
Die Aufnahmen sind bei dem Verfahren eigentlich nie ganz beendet. Du kannst immer noch ´ne Spur drauf legen, so lange die Festplatte reicht. Da gibt es Nummern, auf denen spiele ich bis zu zehn Gitarrenspuren mit mir selbst. Oder z.B. die Frauenchöre. Die gibt es nur auf zwei Songs. Bei den anderen Stücken singe ich mit mir selbst - im Falsett.
Und der Sound des Albums ergab sich dabei zwangsläufig?
Ja, die Schwerpunkte haben sich etwas verschoben. Wenn Du wirklich „nur“ das Instrumentarium von Mardi Gras.bb hast, wird es Dir nicht gelingen, einen Schwerpunkt auf die Rhythmussektion zu legen, so dass sie sich mit den Bläsern messen kann. Durch die Unterstützung der Loops, die wir von unserem DJ Mahmut eingespielt bekommen haben, ist sie aber nun so weit in den Vordergrund gerückt, dass die Bläser eher zurück treten. Zudem konnte ich Gitarre und Gesang stärker zur Geltung bringen. Und letztlich hatte auch die stärkere Verwendung von Orgeln und weiterer Fremdinstrumente ihren Einfluss. Bei der Aufnahme selbst hatte sich das gar nicht so bemerkbar gemacht.Im Herbst werden Mardi Gras.bb wieder auf Tour gehen. Und man muss kein Prophet sein, zu behaupten, dass die Leute, die eine Karte für eine Show ergattern, wieder restlos begeistert sein werden, besteht MGBB doch aus hervorragenden Musikern. Und ihre Musik ist für eine pulsierende Session jederzeit bestens geeignet. Doch Wenz wäre am meisten erfreut über ein junges unvorbelastetes Publikum im urbanen Kontext, das sich den Zugang zur Musik eher emotional-vegetativ statt intellektuell-kritisch nähert – was natürlich nicht heißen soll, dass er nicht auch solche Kopf gesteuerte Menschen“ zu schätzen weiß. Aber bei Songs, deren Ziel vorrangig unterhalb der Gürtellinie sitzt, ist das Zerfasern und Zergliedern weit weniger angebracht als das vorbehaltlose, energetische Sich-Mitreißen-Lassen im heißen Strom der kräftigen Beats.
Aktuelles Album: Heat (Hazelwood/Universal Jazz)
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Weitere Infos: www.mardigrasbb.com Foto: Thorsten Klapsch