Still und (gar nicht) leise wird sich in den nächsten Wochen ein Quartett in die Charts schieben, dass in den ländlichen Weiten der Eifel aufgewachsen ist. Deren Sänger, der den Allerwelts(nach)namen Müller trägt, erläuterte vorab, warum das neue Album so sorgenfrei macht(e)... Mit „Singen, sabbeln & saufen“ beschreibt die norddeutsche Kult-Moderatorin Ina Müller (die in der norddeutschen Flachebene unweit der Heimat des Autoren dieser Zeilen aufwuchs) sowohl ihr privates Handeln, als auch die Inhalte ihrer ARD-TV-Show, deren Vorteile sie einem Gast kürzlich wie folgt erläuterte: „Ich darf mir immer Bands einladen, die ich total toll finde. Und heute ist das eine Band, die ich schon seit 3 Jahren ganz toll finde...“
Gemeint war Jupiter Jones; Sänger / Gitarrist Nicholas wurde sogleich freundlich mit „Herr Müller“ begrüßt, bevor „Frau Müller“ die weiteren Mitglieder (Sascha Eigner / Gitarre; Marco Hontheim / Drums; Andreas Becker / Bass) vorstellte, und die neue Single „Still“ aufgeführt wurde. „Singen, sabbeln & saufen“ passe durchaus zum Leben von Jupiter Jones, „Wenngleich ich persönlich nicht gerne Alkohol trinke“, sagt Nicholas im Westzeit-Interview. „Obwohl ich gerade vorgestern Bier getrunken habe...“Müller hatte seine eigene Hochzeit gefeiert (die Auserwählte ist allerdings nicht die Ina). Da wird natürlich getrunken und gegessen.
„Vegetarier bin ich auch, aber ich erwische mich ab und an dabei, wie ich Fisch esse. Ich bin eine konsequente Person“, lächelt der leicht erkältete Musiker humorig.
„Es ist wichtig, auch über sich selbst lachen zu können. Gleich werde ich eine Zigarette rauchen gehen, obwohl ich eigentlich Nichtraucher bin.“
Die ländliche Heimat hat er hinter sich gelassen. Müller wohnt mit seiner Gemahlin in Münster.
„Es ist auch schön, auf dem Land zu leben. Ich möchte das nicht verteufeln. Ich habe eine Menge Freunde dort.“
Eigner wohnt (wie Ina Müller) inzwischen in Hamburg. „Das Herz...“, glaubt Nicholas, habe den Kollegen (ebenfalls der Liebe wegen) in die Hansestadt getragen. Irgendwie passen Rockmusik und das ländliche Leben bekanntlich nicht wirklich zusammen.
„Mitte der 90er, im Alter von 14/15 Jahren, bin ich im Dorf das einzige Grunge-Kind gewesen. War nicht schön.“
Mittlerweile können Müller & Co gar von der Musik leben.
„Kein Luxusleben, alles im Rahmen – Gesunde Mittelschicht.“
Vorher war das nicht der Fall gewesen, weil die Alben „Raum um Raum“ (2004 / ReRelease 2007), „Entweder geht diese scheussliche Tapete – Oder ich“ (2007) und „Holiday in Catatonia“ (2009) auf dem eigenen Label jeweils vorfinanziert werden mussten. Apropos: „Entweder geht diese scheußliche Tapete – Oder ich“ waren (lt. Wikipedia) die letzten Worte des Schriftstellers Oscar Wilde, bevor er mittellos, jedoch bei bestem Essen & Wein „über seine Verhältnisse sterbend“ anno 1900 in einem Pariser Hotel ablebte.
„Jeder sollte seine letzten Worte auf einen Zettel schreiben, weil niemand so großmütig sein sollte, dass er im Moment des Todes noch genug auf dem Kasten hat, wirklich bedeutungsvolle letzte Worte herauszubringen, soll Mark Twain einmal geschrieben haben“, fügt Müller hinzu. „Walt Whitman, Twain-Fan, hat das beherzigt, seinen Zettel immer mit sich herumgetragen, um dann sein Leben mit `Scheiße!´ abzuschließen, weil er besagten Zettel kurz zuvor verloren hatte...“ (Schwarzer) Humor ist, wenn man dennoch lacht. Denn Jupiter Jones leben.
´Im Vorfeld der Platte haben sie ´einige gute Menschen´ und ob dieses Verlustes ´zeitweilig den Verstand´ verloren´, informiert das Info zum kommenden, selbstbetiteltem Werk. Die neuen Lieder handeln von Liebe, Verlust, Sinnsuche & Selbstzweifel. Müllers favorisierter Albumtrack heißt ´Hier oben (...Jupp)´.
„Es ist die Verbeugung, die Vergeudung, die Weiterführung von einem Song der ersten Platte. Es sind quasi die letzten Gedankengänge von ´Jupp´ da oben auf dem Schornstein. Volle Kanne dramatisch. Für mich ein abstraktes Thema. Ich gehöre zu den Leuten, die sich niemals in irgendeiner Form etwas antun könnten.“
Müller hat Angst davor, dass ihm dabei etwas passieren würde. Auch Anderen gegenüber sieht er sich in der Pflicht. Oftmals legt er bedürftigen Menschen, die in Fußgängerzonen sitzen, Münzen in den Hut. Der Song „Sonne? Scheint!“ greift diese Thematik auf. „Es geht darin in erster Linie um die Spendenbereitschaft. Lediglich einmal im Jahr werden dann 10 € gespendet, zu Weihnachten. Oder zum `Red Nose Day´...“ Soziales Engagement wird groß geschrieben. Die Punk-Vergangenheit blitzt musikalisch besonders in ´Der Hund, der Stock, die Tür´ auf.
„Das ist der Song mit dem kryptischten Titel. Ich habe da das Bild im Kopf von dem Hund, der mit dem vertikal in der Schnauze gehaltenem Stock versucht, durch die Tür zu gehen. Ein ungestümes Stück!“ ´Immerfürimmer´ enthält die sehr plakative Strophe ´Wir wissen nichts, aber wenden es an...´
„Ich schreibe die Texte, habe manchmal den Hang zum Plakativen. Man kann dann in möglichst platter Form möglichst viel drin verpacken. Manchmal geht es natürlich in die Hose, gerade weil es so plakativ ist....“
Mindestens ebenso plakativ sind die ständigen Vergleiche mit der Hamburger Band Kettcar.
Müller: „Ich bin ein großer Marcus Wiebusch-Fan, finde es jedoch müßig, dass wir grundsätzlich mit deutschsprachigen Sachen verglichen werden.“
Jupiter Jones haben definitiv kein ´Landungsbrücken raus´ im Programm. Aber die Stimme von Nicholas Müller....
„Das nehme ich als Kompliment. Der ganze Vergleich ärgert mich auch nicht wirklich. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass es sich mancher Schreiberling etwas einfach macht. Wobei mir aber auch keine englischsprachigen Bands einfallen, die passen würden!“
Eben.
Aktuelles Album: Jupiter Jones (Columbia / Four Music) VÖ: 25.02.
Foto: Ben Wolf