„Viele Leute, die ‚Carnival’ schon gehört haben, sagten mir, dass es nicht die Platte sei, die sie erwartet hätten. Das ist großartig!“, strahlt NMA-Frontman Justin Sullivan, als wir ihn nach dem Auftritt seiner Band beim „Heimspiel“ der Toten Hosen in der Düsseldorfer LTU-Arena treffen. „Es gibt auf der Platte zwar viele verschiedene Stimmungen, so viele sogar, dass es manchmal fast schwer ist, einen Zusammenhang zu erkennen, trotzdem sind es Songs, die nur auf diese und keine andere unserer Platten gepasst hätten!“
Das dieser Tage erscheinende neunte NMA-Werk ist also eine Momentaufnahme, die das Quintett in seiner derzeitigen Besetzung in einem knappen, klar abgesteckten Zeitraum einfängt. Dabei sind seit dem letzten Studioalbum „Eight“ fünf Jahre vergangen. Anders als in der fünfjährigen Veröffentlichungspause der Jahre 1993-1998 waren Sullivan und Co. dieses Mal allerdings nie wirklich aus der Öffentlichkeit verschwunden, bedenkt man all die Tourneen, solo oder mit Band, eine ganze Reihe Veröffentlichungen mit Archivmaterial und Sullivans feinen Soloausflug, „Navigating By The Stars“.Das neue NMA-Album hätte dennoch schon viel früher erscheinen sollen. Doch egal, ob er versuchte, Songs alleine zu schreiben, seine Bandkollegen mit einzubeziehen oder gar zu neuen Songs beim Jamming zu kommen – nichts funktionierte. Anstatt sich aus der Ruhe bringen zu lassen, blieb er geduldig und versuchte es weiter. Plötzlich, nach drei oder vier Monaten vergeblicher Arbeit, lief es. „Letzten Oktober hatten wir dann genau zwei Wochen, in denen Michael und ich Material für ein komplettes Album zusammentrugen. Auf einmal sagten wir uns: ’Lasst uns das mal probieren… oh, das funktioniert ja! Und das? Ja, das klappt auch!’ Ein Ding führte zum nächsten. Vermutlich ist das eine Art positiver Kettenreaktion, sobald der Anfang erst einmal gemacht ist!“
Nach mehreren Umbesetzungen Ende der 90er – von denen der Abschied des letztes Jahr einer Krebserkrankung erlegenen Gründungsmitglieds Robert Heaton fraglos die einschneidenste war – arbeitet Sullivan nun seit sieben Jahren mit seinen zwei wichtigsten Mitstreitern, Drummer Michael Dean und Keyboarder/Gitarrist Dean White, zusammen, was sich auf „Carnival“ in der auffälligen Band-Orientierung niederschlägt. Doch nicht nur die Besetzung der Band, die Ende Oktober bei einem Konzert in Paris ihr 25-jähriges Jubiläum feiert, hat sich gewandelt. „Als ich als junger Mann angefangen habe, Songs zu schreiben, sagte ich mir: ‚Du willst etwas sagen!’ Die politischen Statements auf ‚Carnival’ dagegen sind eher beschreibend: ‚Ich habe dies und das gesehen, und es hat diese und jene Gefühle in mir ausgelöst.’ Ich finde, es ist unglaublich typisch für unsere Band, genau in dem Moment, wo alle sentimental werden wegen dem G8-Gipfel und Live 8, den politisch unkorrektesten Song über Afrika zu schreiben. Wir haben letztes Jahr einige Konzerte in Südafrika gespielt, und die ganze Situation, die wir dort vorgefunden haben, war – freundlich ausgedrückt – schwierig. Es wäre mir unmöglich gewesen, nicht darüber zu schreiben“, sagt Sullivan über „Red Earth“. Textlich besinnt sich der Vordenker der Band also auch weiterhin auf klassische NMA-Werte. „Wenn du erst einmal über Gott, Familie, zwischenmenschliche Beziehungen und Politik geschrieben hast – was bleibt dir da noch?“, fragt er und fügt lachend hinzu: „Wir werden jedenfalls keine Songs über Fußball schreiben!“
Weitere Infos: www.newmodelarmy.org Foto: Rough Trade