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CHARLIE RISSO

Auf der Suche nach dem kleinen Licht

CHARLIE RISSO

Eigentlich hatte die italienische Songwriterin Charlie Risso stets eine ziemlich konkrete Vorstellung vom jeweils nächsten Schritt ihrer musikalischen Laufbahn. Nachdem sie zunächst ein Mal im Alter von 20 Jahren nach London gezogen war, um ihre Kenntnisse der englischen Sprache auf eine vernünftige Basis zu stellen, stellten ihre folgenden Veröffentlichungen – die Folkpop-LP „Ruins Of Memory“, die Dreampop-Scheibe „Tornado“ und die experimentelle EP „The Light“ jeweils den nächsten logischen Schritt ihrer musikalischen Weiterentwicklung dar. Ohne Zweifel wäre ihr auch für ihr nun vorliegendes, drittes Album „Alive“ wieder etwas Geeignetes eingefallen – dennoch war es ein für Charlie glücklicher Zufall, dass der australische Songwriter Hugo Race (der seine kreative Heimat ja schon seit einiger Zeit in Italien sieht) sie auf Instagram kontaktierte und eine Zusammenarbeit anregte. Und so kam es dann, dass sich Charlie Risso mit ihrem Gitarristen Robin Manzini und Hugo Races Produzenten Nicola Baronti in einem zum Studio ausgebauten Hausboot mit dem malerischen Namen „Pucchini Floating Music Academy“ in der Nähe von Florenz einfand, wo dann das Album „Alive“ allmählich Gestalt annahm.

„Die Sache mit Hugo Race kam wie ein Schatten aus der Dunkelheit auf mich zu“, berichtet Charlie Risso, „denn ich erhielt eine Nachricht von ihm über Instagram – von der ich zunächst dachte, dass das ein Witz sei. Er hat mich dann aber tatsächlich zu einer Residenz in der Toskana eingeladen, wo gerade dieses neue Studio in einem Hausboot bei einem See eingerichtet worden sei. Er suchte nach einem Partner für ein Experiment, bei dem es um gemeinsames Songwriting gehen sollte. Er hatte mich im Januar für den April eingeladen. Ich hatte also Zeit, mich vorzubereiten und entwickelte in dieser Zeit einige Entwürfe – von denen „By The Lake“ und „The Wolf“ (ein Duett mit Hugo Race, der hier den Part des Wolfes übernimmt) auch jetzt als Songs auf dem Album gelandet sind."

Worum ging es Charlie Risso denn bei der Produktion des „Alive“-Albums?

„Die Songs schrieb ich in einer Phase, in der ich sozusagen emotional neu geboren wurde“, führt Charlie aus, „Gefühle, die ich lange verloren geglaubt hatte, kehrten allmählich zurück. Das erklärt dann den melancholischen Tenor der neuen Stücke. Es geht in den Stücken um Dinge wie Sehnsucht, Melancholia, Nostalgie und Wärme. Ich hatte mehrere Songs fertig, als wir ins Studio gingen aber dort haben wir mit diesem Material herumexperimentiert. Von meiner Single 'Good Track' hatte ich zum Beispiel tatsächlich nur einen ziemlich schlechten Entwurf auf meinem Handy und wir haben das dann in diesen alternativen, düsteren Indie-Track umgewandelt. Er ist schon sehr dunkel im Ton."

Ja – aber dunkel wie ein Märchen. Nicht zuletzt arbeitet Charlie Risso nämlich sowohl als Texterin wie auch in ihren Videos mit vielen unwirklich anmutenden, traumähnlichen und letztlich märchenhaften Zitaten, Referenzen und Bildern, die sich nicht selten auf die Natur beziehen. Bestes Beispiel dafür ist der aktuelle Single-Track „Railroad“, der im Video Charlie zeigt, die aus einem Blumenmeer auftaucht.

„Ja, aber einem künstlichen Blumenmeer – denn ich wollte auf keinen Fall echte Blumen ausreißen“, stellt Charlie richtig, „denn es geht um meine Natur. Ich würde mich nämlich als eine gute Wicca (also eine moderne, paganistische Hexe) bezeichnen. Ich glaube also schon an die Magie und bin demzufolge schon empfänglich für solche Vibes. Wenn ich zum Beispiel von einer 'dunklen Seite' spreche, dann ist das keine negative Sache, denn meine Seiten sind dunkel, weil sie sehr intim sind. Ich denke, Musik ist die einzige Art, so etwas zu zeigen und diese Vibes zu vermitteln. Magie und Mystik spielen stets eine große Rolle in meiner Musik."

Wie arbeitet Charlie Risso musikalisch?

„Meistens schreibe ich meine Texte erst, nachdem ich eine Musik habe“, verrät sie, „ich setze mich aber selten hin und versuche in einem bestimmten Stil zu schreiben. Was ich mache, ist zu versuchen, aufbauend auf einer Inspiration zu arbeiten. Kennst Du die Band Low – die ich sehr verehre? Ich habe mal einen Song von denen bekommen und die haben mich gefragt, ob ich da etwas draus entwickeln wolle. Dann habe ich mich hingesetzt und mit Garageband experimentiert – aber ohne Elemente des Low Songs zu verwenden. Es ist ja sowieso so, dass wenn man versucht, einen Song in einem bestimmten Muster zu schreiben, nie das dabei herauskommt, was man selber erwartet. Das ist dann unser Instinkt als Künstler, der uns von der Künstlichen Intelligenz absetzt. Es geht darum, das 'petite lumiere' einzufangen – die richtigen Fragen zu stellen und die Essenz zu erfassen – und nicht darum, etwas zu replizieren, was eh nicht repliziert werden kann. Manchmal teilt Dir ja auch die Musik selbst mit, was sie möchte."

Wie geht es nun weiter für Charlie Risso?

„Ich bin dankbar über den Kontakt mit Hugo Race und ich bin auch froh, dass ich obendrein auch Kontakte zun Bookern und Labels außerhalb von Italien gefunden habe, denn die Szene hier ist sehr 'tricky'. Ich möchte mich aber mit meiner Band auch außerhalb Italiens präsentieren – denn die Möglichkeit, vor Menschen auftreten zu können ist der eigentliche Grund, warum ich Musik mache."

Aktuelles Album: Alive (13 Records)


Weitere Infos: https://www.charlierisso.com/ Foto: Pier Luigi Derubertis

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