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KENDALL LUJAN & AMOS HEART (Köln, Die Wohngemeinschaft, 22.03.2025)

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Portland, Oregon gilt gemeinhin als DIE Music-City des amerikanischen Nordwestens - und ist somit die Heimat diverser angesagter Szene Größen wie etwa Sharon van Etten, Laura Gibson, Waxahatchee, Emma Rundle, The Delines oder Alela Diane – denn neben der Indie- ist auch die Singer/Songwriter-Szene dort stark vertreten, aus der auch ständig neue Acts an die Öffentlichkeit streben. Das merkte auch irgendwann Dominik Schmidt – seines Zeichens der Mann hinter dem österreichischen Indie-Label Rola-Records, der es sich zur Aufgabe machte, von seiner Wahlheimat aus interessante und vielversprechende Acts aus dieser Szene zu entdecken und für das Label zu verpflichten – und diesen dann auch hierzulande entsprechend Öffentlichkeit zu verschaffen. Dabei gelingen ihm immer wieder Coups wie etwa das Signing von Acts wie Haley Heynderickx oder Haley Johnsen – die inzwischen auch in Europa ihren Platz in der Musikwelt gefunden haben. Dominik's neuester Coup ist dann die Verpflichtung der Songwriterin Kendall Lujan, die erst im letzten Jahr eine erste – noch Folk-orientierte - EP veröffentlichte und deren Debütalbum „Lucky Penny“ Dominik dann auch gleich selbst produzierte.

Da Kendall Lujan bereits mehrfach in Europa getourt hatte war es dann vermutlich gar nicht so überraschend, dass die Show in der Kölner Wohngemeinschaft, die sie zusammen mit ihrem Kollegen Amos Heart (der die Rolle als Support-Act und als Bassist in ihrer Band übernahm) im Rahmen ihrer Tour zum Release des Albums absolvierte, sehr gut besucht war. Eher erstaunlich war dann schon die Tatsache, dass außer dem typischen, studentischen Laufkundschaft-Publikum, das für gewöhnlich die Wohngemeinschaft frequentiert, vor allen Dingen auch zahlreiche junge Damen den Weg in den Club gefunden hatten und sich für Kendalls zwar eklektischen, aber betont Old-School-mäßig inszenierten Stilmix begeistern konnten.



Der – wie Kendall – ebenfalls aus Portland stammende Amos Heart (mit richtigem Namen Avery Morgan-Haines) eröffnete die Show mit einigen Songs seiner vor kurzem erschienen LP „From The Perspective Of A Loved One", einer am Klavier vorgetragenen Coverversion seines Portlander Kollegen Jeffrey Martin und nicht zuletzt einem Duett mit Kendall Lujan. Amos Heart ist dabei kein pflegeleichter Geschichtenerzähler und gewiss auch kein typischer Folkie, sondern richtete seinen Solo-Vortrag eher in einem transzendenten, poetisch inspirierten Slow-Mo-Setting an (man denkt bei so etwas unweigerlich an Künstler wie Ben Howard oder John Martyn). Während er im Studio produktionstechnisch gerne auch mal in die Vollen greift, beschränkte er sich in Köln auf psychedelisch aufgebohrte, atmosphärische, flächige Gitarrensounds und seinen eigentümlich gutturalen Gesangsstil, den er mit einem Effektfilter zusätzlich verfremdete. Man musste sich als Zuhörer dann also auf den hypnotischen Flow einlassen – was aber offensichtlich niemandem besonders schwer fiel; zumal Heart die Sache übersichtlich kurz hielt - mit dem Versprechen, als Bassist in Kendalls Band dann auch zum Rock'n'Roll zu wechseln.



Dieses Versprechen, das Kendall Lujan im folgenden dann auch selbst protegierte, war vielleicht nicht ganz passend gewählt, denn obwohl die Band im Folgenden dann deutlich lebhafter und druckvoller agierte, macht Kendall Lujan eigentlich keine Rockmusik. Es ist auch nicht ganz einfach zu greifen, was sie stattdessen macht. Ihr Album ist jedenfalls stilistisch so abenteuerlich, dass es schwer fällt, hier eine klare Richtung zu erkennen. Auf die Frage, wie sie denn wohl in den USA gelabelt würde (was dortselbst eine große Rolle spielt) antwortete sie „Alternative Folk Americana“ - mit einem vorangestellten „vielleicht“. Was auf dem Papier verwirrend klingt, erwies sich bei der Show als großer Vorteil, denn mühelos wechselten Kendall und ihre Musiker (in der Besetzung Bass, Drums und Pedal-Steel-Gitarre) zwischen verschiedenen Stillen hin und her und bewiesen bei diesem Genre-Hopping Augenmaß – und Humor. Denn immer wieder kündigte Kendall ihre Tracks als „Fake Jazz“ oder „Fake Country“ an (um deutlich zu machen, dass sie eben diese Genres nicht perfekt beherrsche). Dabei muss gesagt werden, dass Kendall Lujan ihre Musik durchaus ernst nimmt – sich selbst allerdings vielleicht weniger. Bei dem „Weird Birthday Song“ etwa setzte sie sich ein Papp-Krönchen zum fröhlichen Miteinander auf, bat ihren Drummer während einer Stimmpause darum, einen Rubik's Cube zu lösen (was diesem bravourös gelang) oder erzählte anlasslos die Geschichte von der Begnung mit einem 6-jährigen Jungen, der ihr erklärte, dass er ein Alien sei. Auf der anderen Seite präsentiert sie zum Beispiel die Solo vorgetragenen Nummern „You Got Me“ und „Untitled Love Song“ mit großer Hingabe und emotionaler Tiefe ohne preformerischen Firlefanz – wodurch diese automatisch zu den Highlights des Abends gerieten. Eigentlich brachte Kendall so fast alles an den Tisch, was sie als Songwriterin und Musikerin zu bieten hat – außer vielleicht Folk, denn alles spielte an diesem Abend auf der elektrischen Ebene.

Schon alleine aufgrund der großen stilistischen Bandbreite (die „Lucky Penny“ einen charmanten Mixtape-Charakter verleiht) und dem lockeren Zusammenspiel der Musiker - nicht zuletzt aber auch aufgrund Kendall Lujan's quirliger Personality und kommunikativer Ader - geriet die Show in der Kölner Wohngemeinschaft zu einem wirklich unterhaltsamen Konzertabend von einer Künstlerin, von der wir sicherlich noch einiges hören werden.
Weitere Infos: https://www.kendalllujanmusic.com/


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