
Als wäre die Zeit stehengeblieben: Acht Jahre nach ihrem letzten Gastspiel an gleicher Stelle faszinieren die britischen Post-Punk-Heroen Desperate Journalist im Kölner Blue Shell mit einem Konzert, das praktisch keine Wünsche offenlässt. Zunächst allerdings darf sich der One-Man-Support-Act Enjoyable Listens als Karikatur eines Larger-than-life-70er-Jahre-Popstars entpuppen, der zwischen übertriebenen Stage-Moves und ausufernd-abstrusen Ansagen sehr englische Indie-Pop-Songs einstreut, die bis auf den dezent an Bryan Ferry oder Neil Hannon erinnernden Gesang komplett aus dem Laptop kommen und dafür sorgen, dass der amüsante, wenngleich manchmal etwas bemüht wirkende Auftritt eher als "Comedy mit Halbplayback" denn als Konzert im klassischen Sinne in Erinnerung bleibt. Auch Desperate Journalist haben ein Faible für den Sound, der in den späten 70ern und frühen 80ern die (mehr oder weniger) verzweifelten Journalisten von Sounds, NME und Melody Maker begeisterte, trotzdem klingt das Quartett im Blue Shell bemerkenswert zeitlos und beweist bei seinem wunderbar spielfreudigen Auftritt auch in puncto Songauswahl ein goldenes Händchen. Anstatt die Show zu einer Werbeveranstaltung für ihr aktuelles Album ´No Hero´ zu degradieren, tragen sie ihrer langen Abwesenheit mit einem Set Rechnung, in dem es mit dem mitreißenden ´7´ oder dem Doom and Gloom verspühenden ´Silent´ gleiche mehrere neue Instant Classics zu entdecken gibt, in dem aber auch reichlich Raum für die Songs der ersten vier Alben bleibt. So gibt es erstmals auch Lieder des 2021er-Albums ´Maximum Sorrow!´ zu hören - allen voran das umwerfende ´Personality Girlfriend´ mit seiner perfekten Mischung aus Pop und Power und einem elektrisierenden Gitarrensolo - und sogar das lange nicht mehr gespielte "Distance" aus dem selbstbetitelten Debütalbum von 2015. Auch sonst glänzen Desperate Journalist mit all den Tugenden, die sie in den letzten zehn Jahren zu einer der bemerkenswertesten englischen Indie-Bands haben reifen lassen. Gut, Sängerin Jo Bevan kämpft mit dem Kabelsalat ihres Mikros nun am Bühnenboden, anstatt sich das Kabelgewirr wie in der Vergangenheit einfach um den Hals zu hängen, doch stimmlich glänzt sie mit der gleichen Hingabe, mit der sie schon immer alle Blicke auf sich gezogen hat. Der Preis für das expressivste Bühnengebaren geht derweil an den großartigen Rob Hardy, dessen Körpersprache mindestens so leidenschaftlich ist wie sein gleichermaßen effektbeladenes und facettenreiches Gitarrenspiel, während Bassist Simon Drowner und Schlagzeugerin Caz Helbert mit beeindruckender Coolness und manchmal geradezu stoischer Ruhe den von Hardy und Bevan entfachten Sturm in die richtige Richtung lenken. "Was für eine tolle Band", schrieb danach ein Besucher des Konzerts - und diesem Fazit haben wir nichts hinzuzufügen!
Weitere Infos: http://www.desperatejournalist.co.uk