Für manche Menschen hatte die Pandemie offenbar auch etwas Gutes. Seit Kollaborationen per Zoom und Co. plötzlich nicht mehr nur ein Gimmick für wenige Nerds, sondern allgemein anerkannte Werkzeuge zur Zusammenarbeit sind, waren für die beiden Musikerinnen Judith Beckedorf und Sean Della Croce plötzlich auch die 7.500 Kilometer Distanz zwischen Dresden und Nashville kein Hindernis mehr. ´The Other Side´ heißt das just veröffentlichte, während und unter dem Eindruck von COVID-19 geschrieben und eingespielte Duett-Album der beiden treffenderweise, doch auch wenn die Ideen für diese ungewöhnliche musikalische Begegnung örtlich getrennt entstanden sind – für die dazugehörige Tournee stehen die beiden natürlich in Fleisch und Blut nebeneinander auf der Bühne. Bei ihrem Gastspiel im Essener Süden setzen die Singer/Songwriterinnen im Rahmen der feinen „Americanasounds“-Konzertreihe im fast vollbesetzten JUBB Werden auf oft heiter klingende Songs im Dunstkreis von Country, Folk und Bluegrass und eine zumeist nachdenkliche, ernsthafte Note bei den Texten, die nicht selten von Resilienz und Empowerment in ungewissen Zeiten handeln. In zwei Sets präsentieren Beckedorf und Della Croce zunächst abwechselnd Highlights aus ihren Solowerken – die rasante Bluegrass-Nummer ´Run´ unterstreicht eindrucksvoll Beckedorfs Können als Gitarristin, das herzergreifende und doch beeindruckend unsentimentale ´Rebecca Henry´ zeigt Della Croce als seelenvolle Sängerin –, bevor sie sich in der zweiten Hälfte ganz ihren gemeinsamen Liedern (und einem prima Cover von Brandi Carliles ´I Belong To You´) widmen. Dabei tauchen sie musikalisch tief in die Tugenden der Music City USA ein, während sie inhaltlich nah am Puls der Zeit mühelos den Bogen von persönlichen Erfahrungen zur (gesellschafts-)politischen Wirklichkeit schlagen. Nach zwei kurzweiligen Stunden fällt das Fazit leicht: Schön war´s!
Weitere Infos: www.judithbeckedorf.de