Ein Konzert mit Signalwirkung: Wenige Stunden, bevor in Berlin die pandemiebedingten Einschränkungen für Konzerte fallen, führt uns Katy Kirby vor Augen, dass viele der Auftritte einheimischer Künstler, die wir seit dem COVID-19-Ausbruch besucht haben, doch kaum mehr als Lückenbüßer waren. Bei ihrem sensationellen ersten Gastspiel in der Hauptstadt sorgt die amerikanische Singer/Songwriterin, die im vergangenen Jahr schon mit ihrem Debütalbum ´Cool Dry Place´ ein Ausrufezeichen in der Indie-Folk-Welt gesetzt hatte, vom ersten Ton an für Gänsehautfeeling und erinnert uns daran, wie es sich anfühlt, von einer Performance komplett gefesselt zu sein. Nur mit einer Stromgitarre als Begleiter und mit glasklarer Stimme singt, sie ohne groß Gedanken an Zeitgeist oder Coolness zu verschwenden, aufs Nötigste reduzierte und doch oft ungemein verspielt wirkende Lieder, mit denen sie das Aufwachsen in einem strenggläubigen Umfeld und den späteren Bruch mit der Religion kunstvoll und wortgewandt in hübschen Harmonien festhält. „Das nächste Lied handelt davon, super-duper protestantisch erzogen worden zu sein. Man könnte also sagen, Martin Luther ist schuld“, erklärt sie ohne mit der Wimper zu zucken vor ´Table´. „Ich will euch das nicht vorhalten, aber der war halt von hier!“ Auch sonst fasziniert Kirby nicht allein mit ihren bittersüßen Alltagsbeobachtungen und dem unterschwelligen Ohrwurmpotenzial von ´Tap Twice´, ´Traffic!´ oder ´Fireman´, sondern trifft auch zwischen den Liedern mit ihrer lakonischen Art immer den richtigen Ton – selbst wenn es dabei nur um den anfangs etwas zu offensiv eingesetzten Bühnennebel im Prachtwerk geht: „Die Nebelmaschine macht das gleiche Geräusch wie die Klapperschlangen in Texas, wo ich aufgewachsen bin“, verrät sie. „Immer wenn sie anspringt, denke ich für einen Moment: ´Jetzt muss ich sterben!´“ Doch obwohl Kirby anders als an anderen Abenden ihrer kleinen Europatournee nicht nur wirklich sämtliche Lieder ihres Albums, sondern auch gleich noch eine Handvoll verheißungsvoller neuer Nummern und das feine Handsome-Family-Cover ´So Much Wine, Merry Christmas´ spielt, gleicht das Gastspiel in Berlin dennoch ihren Songs: keine Sekunde verschwendet und viel zu schnell vorbei!
Weitere Infos: katykirby.com