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BELA B FELSENHEIMER

Fun

(Heyne, 367 S., 24,00 Euro)

Zwei Uralt-Binsenweisheiten gefällig? Gut: Erstens bedeutet das MarketingLabel "Spiegel-Bestsellerautor" nichts; jedenfalls nichts in puncto literarischer Qualität. Zweitens ist nicht jeder Musiker auch mit schriftstellerischem Talent gesegnet. Beides gilt auch für den Ärzte-Trommler, obschon sich "Fun" einem unstrittig wichtigen Thema widmet und auch stilistisch - verglichen mit so mancher RockerAutobiografie – zumindest genießbar ist. Es geht um Missbrauch im RockBusiness, um sexuelle Übergriffigkeiten, um das alte MachtSpiel der Angehimmelten mit den (manchmal vielleicht auch etwas naiven) Anhimmelnden, um das Missverhältnis von "Fun"-orientierter Grenzüberschreitung und (mindestens mal psychischer) Gewaltausübung, um organisierte "Materialzufuhr" auf die GarderobenCouch in Form von Frauen und Stimulanzien, kurz: um das klischeehafte BackstageOrgienGedöns. Sex & drugs & … gähn - die "alte" RockStarWelt passt einfach nicht mehr zur (hier mehr als angebrachten) wokeness der späten 2010er. Die dazu von Bela B erfundene Band heißt kryptisch "nbl/nbl" (in ihren Anfängen wohl auch "Nabel Nabel") und wer jetzt "Rammstein" denkt, den wird dieses durch eine ganze Reihe von kleinen Details gestützte Bild durch das ganze Buch begleiten. Gleich zu Anfang läuft ein Dreier vom nbl/nbl-Bassisten, dem mit dem schönen Künstlernamen Krass ausgestatteten zweiten Schlagzeuger (ja, die Band spielt - v.a. aus optischen Gründen - mit 2 Drummern!) und FanGirl Ljilja furchtbar aus dem Ruder. Parallel dazu gibt der Frontmann Maler Meister ein mindestens ungeschicktes, mehrdeutiges Interview und schon ist die sprichwörtliche Kacke schwer am dampfen. Die technisch-organisatorischen Abläufe einer großen RockTourProduktion beschreibt Bela B so kenntnisreich wie (zumindest für die Belange eines Romans hinreichend) detailliert – hier bewegt sich der Autor sichtlich auf vertrautem Terrain. Der Rest der Geschichte wirkt aber konstruiert und in weiten Teilen vorhersehbar. Die handelnden Figuren bleiben matt und eindimensional, die Sprache bei aller genretypischen coolness hölzern. Ob der altersgeile Vater einer der Protagonistinnen, der in seiner Firma auf wenig subtile Weise der "Azubine" nachstellt oder die promiskuitive Freundin der Mutter, die – obschon ein wenig in die Jahre gekommen – dem ein oder anderen erotischen Abenteuer nicht abgeneigt ist: eine wirkliche Tiefe erreichen die HeldInnen selten. Auch die Beweggründe, die die "Deutschrock" eher ablehnend gegenüberstehende Tochter und deren Freundin dazu bringen, sich nbl/nbl-Backstage-Pässe zu besorgen und die Wartezeit bis zum Konzertwochenende mit "Aufbitchen" und schwärmerischen PhantasieBlasen zu vertreiben, bleiben unerklärt. Dass heutzutage auch eine noch so große Band mit der platt-misogynen GroupieNummer nicht mehr durchkommt, ist klar - Bela B bezieht dazu in seinem Roman ganz explizit, konkret und unmissverständlich Stellung. Das ist gut, bei einem Menschen mit seinem background und seiner Reichweite vielleicht auch relevant (Stichworte: Multiplikator, Identifikation, Insider, Vorbild) – aber man hätte diese an sich gute Geschichte handwerklich wirklich besser erzählen können. Und da haben wir von inhaltlichen Ungenauigkeiten noch gar nicht geredet: wenn die gegen Ende kurz als anti-woke-Figuren auftauchenden Mittelalter-Reenactment-Darsteller Meister Maler Met und Kartoffeln(!) anbieten, dürfte der (alles andere als mittelalterliche) KartoffelKönig Friedrich II. irritiert in seinem Grab rotieren. Auch ist "Sasenheim", der Name der fiktiven Stadt, in der sich der Großteil des Romans abspielt, für die Brandenburger Provinz alles andere als typisch (Orte mit "-heim" passen besser zu Gründungen im Umfeld der frühmittelalterlichen fränkischen Landnahme und die reichte nur bis Südthüringen und den Harz – Klugscheißermodus "aus"). "Fun" ist also schön und schade zugleich also, denn dieser dem Text vorangestellte Satz ist ja leider nur zu richtig: "Alles in diesem Roman ist erfunden - und noch viel mehr darin ist wahr.".
Weitere Infos: www.penguin.de/buecher/bela-b-felsenheimer-fun/buch/9783453275133


April 2025
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