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FLORIAN WERNER

Meine bessere Hälfte

(Ullstein, 247 S., 19,99 Euro)

"Musiker*innen erzählen über ihre Instrumente" – wie nett von den Musiker*innen. Als zusätzlichen Spaß hat man den unvermeidlichen GenderStern durch das Notensymbol für eine Viertelpause ersetzt – schließlich kommen hier (auch) Menschen zu Wort, die tatsächlich Noten lesen können (und vielleicht ist das sogar bei Teilen der Zielgruppe dieses netten Taschenbuchs der Fall). Insgesamt 23 Musikschaffende beschreiben ihr Verhältnis zu ihrem Arbeits- und/oder LebensMittel: Leute aus einem eher klassischen Umfeld (Tabea Zimmermann und Anne-Sophie Mutter), Jazzende (Aki Takase, Nils Petter Molvær), Popmusikanten (Balbina, PeterLicht), Avantgarde-Affine (Matthew Herbert, Danielle de Picciotto), SangesMenschen (Bernadette LaHengst, Inga Humpe) – eine feine Mischung. Nicht jede/r der Beteiligten ist gleichermaßen schriftstellerisch begabt, aber beinahe alle haben interessante Geschichten zu erzählen. Die Bratsche und die Geige bewahren auch hier (möglicherweise - vielleicht sogar ganz bestimmt - unbewusst) eine Spur von Distanz zur Leserschaft; Unbedarfte könnten aus diesen Texten eine Art Abgehobenheit herauslesen, die ich selbst aber keiner der Autorinnen unterstellen möchte. An eine Stradivari lässt man niemanden heran - kann ich verstehen (seinem antiken Cello allabendlich einen Gutenachtkuss zu verabreichen, weniger). Fast besser verstehe ich aber, dass Tabea Zimmermann das Spielen auf sauteuren Antiquitäten als "Geschäftsmodell" versteht, selbiges ablehnt und ihren Studenten (nein, sie gendert nicht) stattdessen rät: "Wenn ihr später mal Geld hab – kauft euch lieber eine schöne Wohnung." Was nebenbei als klassischer Musiker schwer genug werden dürfte. Jochen Distelmeyer missversteht die Anfrage und erinnert sich und uns mit einer nicht zu leugnenden Prise Eitelkeit an den antifaschistisch-antirassistischen Impetus der von ihm seinerzeit mit initiierten "Wohlfahrtsausschüsse". Die Inspiration dazu (und ganz wesentlich zum Musikmachen überhaupt) zog er aus dem Spruch, den schon Woody Guthrie auf seine Wanderklampfe gemalt hatte: "This machine kills Fascists!" Gelungen finde ich die Weitung des Betrachtungsrahmens, z.B. wenn Console sein Studio als Instrument (als bessere Hälfte) versteht und Russendiskotheker Yurij Gurzhy seine Schallplatten, Robyn Hitchcock über "Sauerstoff" philosophiert (auch wenn er damit am Ende doch seine Gitarre meint) und Masha Qrella das Dilemma, sich nicht entscheiden zu können, auflöst, indem sie über diverse "Weggefährten" berichtet. Eine unterhaltsame Lektüre ist das alles jedenfalls (fast) immer.
Weitere Infos: www.ullstein.de/werke/meine-bessere-haelfte/paperback/9783864932717


April 2025
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