(dtv, 382 S., 26,00 Euro)
Im Klappentext wird der Autor so vorgestellt: "Oded Galor, geboren 1953, ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum. Weltweite Bekanntheit erlangte er als Schöpfer der Unified Growth Theory." Und dann kommt der Satz, der mich vor der Lektüre hätte warnen müssen: "Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gehört er zu den Kandidaten für den Wirtschaftsnobelpreis." Dass weder die schwedische Reichsbank noch die FAZ-Wirtschaftsredakteure alternativen Denkmodellen oder systemkritischen Ideen anhängen, ist klar, aber Galors Untersuchungen "Über die Entstehung von Wohlstand und Ungleichheit" stehen derart fest im klassisch kapitalistischen Wertesystem, dass ich mehr als einmal geneigt war, das Buch zur Seite zu legen. Zumal es – wenngleich "allgemeinverständlich" geschrieben – auch irgendwie schwer zu lesen ist. Jedenfalls habe ich mich mit den gut 300 Seiten Text (der Rest geht für Nachwort, Dank, Fußnotenapparat und Literaturverzeichnis drauf) fast 4 Wochen lang abgequält. Anyway: Galor begründet zunächst, wieso die Menschheit trotz fortwährender technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der "malthusianischen Falle" steckte (Thomas Malthus vertrat in seinem berühmten, 1798 veröffentlichten "Essay on the principle of Population" – knapp formuliert – die These, dass jedweder technologische Fortschritt mittelfristig vom durch ihn induzierten Bevölkerungswachstum aufgezehrt wird). Wobei schon Galors GrundAnsatz, (erfolgreiche) Entwicklung an den Parametern "Bevölkerungszahl bzw. -dichte" und "Pro-Kopf-Einkommen" fest zu machen, diskutabel ist (besonders detailliert und anschaulich haben letztens Graeber/Wengrow in "Anfänge" alternative Ansätze formuliert – s. WZ 09/22). Unterstellt man, dass Fortschritt per se eine Errungenschaft ist, könnte Galors These Anlass zur Hoffnung bieten – dann würden nämlich womöglich demnächst weniger Menschen, die aber mit mehr Interesse an einem gesteigerten "Humankapital" (also mit mehr Investitionen in die Bildung ihrer Kinder als in deren bloße Anzahl) die Welt besiedeln. Wobei auch hier die alte Frage nach den Grenzen des Wachstums in einem endlichen System unbeantwortet bliebe. Die Vielzahl an Quellen ist sicher selektiv gewählt (und für den "Normalverbraucher" ohnehin nicht nachprüfbar), aber gerade bei den im zweiten Teil des Buchs abgeleiteten Theorien zur Ursache der unbestreitbar existenten Ungleichheiten auf dieser Welt blendet Galor gesellschaftliche Kräfte nahezu komplett aus. Religion, Weltanschauung und Gesellschaftsform sind vernachlässigbare Faktoren, entscheidend ist "der lange Schatten der Geografie" und ein Mangel oder auch ein Überfluß an Diversität innerhalb der Gesellschaft. Aber wahrscheinlich habe ich das Ganze einfach nicht oder bestenfalls falsch verstanden. Ich bin eben kein Wirtschaftswissenschaftler.Weitere Infos: www.dtv.de
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