Es stürmt. Der raue Wind schlägt die Brandung gegen die Felsen. Heftiger Regen prasselt auf die Planken eines Schiffs, das sich mühsam aber stetig seinen Weg in den rettenden Hafen bahnt. Doch inmitten dieser Naturgewalten erklingt ein wimmerndes Schifferklavier und erinnert uns wohlig an daheim. Eine zaghafte und engelsgleiche Stimme trotzt der unwirtlichen Witterung und hält mit ihren romantischen Melodien an der Hoffnung fest, dass das Ziel der Reise nicht mehr fern ist. Diese Stimme gehört Kristin Anna Valtysdóttir und wir befinden uns mitten im Sog des neuen Albums ihrer Band Múm. Zusammen mit den Herren Örvar Dóreyjarson Smárason und Gunnar Örn Tynes gehört sie nun schon seit fast sechs Jahren zur isländischen Erbengeneration von Björk.
Verschiedene Modi der Fortbewegung scheinen ein wiederkehrendes Muster im Werk Múms zu sein. Die Seefahrt als Thema des neuen Albums „Summer Make Good“ ist nicht nur akustisch zu erfassen, sondern hatte auch erheblichen Anteil an den Produktionsumständen. Gunnar erinnert sich: „Wir haben uns für die Arbeit am neuen Album in einen Leuchtturm zurückgezogen. Den konnte man nur mit einem Boot erreichen; wir haben also immer sehr genau überlegt, ob wir wirklich was vom Festland brauchen, denn es war schon ziemlich aufwändig, da wegzukommen. Die Seefahrt war übrigens schon zum letzten Album ein Thema, denn wir haben nach den Aufnahmen eine Zeit lang zusammen auf einem Boot gelebt. Irgendwie faszinieren uns offensichtlich Transportmöglichkeiten.“ Neben Björk haben sich in den letzten Jahren vor allem Sigur Rós einen Namen als isländischer Exportschlager gemacht. Die offensichtlichen Gemeinsamkeiten mit Múm kann sich Gunnar allerdings nicht erklären. Um das spezifisch isländische im Sound einiger isländischer Bands zu identifizieren, sind sie selbst zu sehr Teil des Ganzen. „Wir werden oft darauf angesprochen, wo denn wohl diese bestimmte Introvertiertheit bei isländischen Acts herkommt. Das Problem dabei ist, dass viele Leute nur die international erfolgreichen Künstler wie Björk, Sigur Rós oder uns kennen. Die isländische Musikszene ist aber viel größer und die meisten Bands haben mit unserer Soundästhetik überhaupt nichts gemein. Das weiß nur leider niemand und so entsteht dann die Legende vom Sound of Iceland. Ich habe mir angewöhnt zu behaupten, dass es wahrscheinlich an unserem Trinkwasser liegt.“Als ebenso mystisch beschreibt Gunnar auch die Entdeckung des unverwechselbaren Múm-Sounds. „Als wir anfingen, zusammen Musik zu machen, hatten wir überhaupt keine Vorstellung davon, was wir machen wollten. Unser Stil hat sich aus der Form der Kommunikation untereinander entwickelt. Wir haben Vertrauen zueinander und lassen dann die Dinge einfach geschehen – dann kommt immer etwas dabei heraus, was alle glücklich machen kann.“ Ist denn wenigstens die Integration von für elektronische Verhältnisse unüblichen Instrumenten wie Akkordeon, Cello, Geige, Trompete oder Harfe eine Referenz an die Folklore ihrer Heimat? „Nein, wir benutzen diese Instrumente nur, weil wir uns für exotische Sounds interessieren. Die isländische Volksmusik kannte bis ins 18. Jahrhundert gar keine Instrumente, es wurde fast ausschließlich gesungen und gesprochen. Das einzige traditionelle Instrument war eine grässlich klingende Art Gitarre.“
So gewöhnungsbedürftig wie so mancher Instrumentenklang ist auch die Stimme Kristins. Das Hauchen in süßlich hohen Tonlagen kann man fast nur lieben oder hassen. „Kristin ist erst nach der letzten Platte vor zwei Jahren richtig zur Sängerin geworden. Anfangs war sie noch mit ihrer Schwester zusammen in der Band und die Beiden waren eigentlich für Akkordeon und Cello zuständig. Gesungen wurde da noch sehr wenig. Das wurde dann im Laufe der Jahre immer mehr und als Gyda die Band verließ, war sie die einzige Sängerin. Sie hat seitdem schon viel von ihrer Schüchternheit verloren und ihr spezieller Stil wird immer mehr zu einer Art Markenzeichen.“ Davon kann man sich noch diesen Monat persönlich überzeugen, wenn Múm ihr neues Werk „Summer Make Good“ live präsentieren.
Aktuelles Album: Summer Make Good (FatCat/PIAS/Rough Trade)
Weitere Infos: www.randomsummer.com