Wenn sein neues Album "Virginia Creeper" eines beweist, dann dies: Grant-Lee Phillips ist als Storyteller in seiner Gewichtsklasse fast unerreicht. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern verpackt der Amerikaner seine tiefgründigen Geschichten dieses Mal in einen noch lebendigeren, zeitloseren Sound, der sämtliche Americana-Klischees umschifft, aber gerade deshalb die Freunde des Genres begeistern dürfte. Eine durch und durch leidenschaftliche Platte, die vielleicht nicht in den Charts Einzug halten wird, dafür aber in den Herzen der Fans.
Waren seine ersten beiden Platten nach der Trennung seiner Band Grant Lee Buffalo wirkliche Solowerke, die Phillips mit Hilfe moderner Studiotechnik im Alleingang verwirklichte, entstand "Virginia Creeper" innerhalb weniger Tage live im Studio. "Es dauerte ein wenig, bis ich mich auf eine Herangehensweise festgelegt hatte", erklärt Phillips gegenüber der WESTZEIT. "Viele Songs auf der Platte handeln davon, dass ich alleine und noch dazu so unglaublich lange auf Tour war. Insofern hatte ich die Songs in ihrer ursprünglichsten Form im Kopf und hätte das Album auch ganz spartanisch mit nur einer Gitarre, ähnlich wie 'Ladies' Love Oracle' [das erste, nur via Internet erhältliche Phillips-Solowerk] aufnehmen können, bis ich feststellte, dass einige Songs nach einer bodenständigen Rhythmusgruppe verlangten." Aufgrund der kurzen Produktionsdauer hatten die Musiker nur wenig Zeit, sich mit den Songs vertraut zu machen. Ein Stilmittel, das Künstler wie Jason Pierce von Spiritualized oder Bob Dylan gerne bewusst einsetzen, um die Spontaneität der Songs zu erhalten. "Bei diesem Album ging es vor allem darum, den Moment einzufangen! Auf einer Dylan-Platte kann man wirklich hören, dass das Motto lautet: 'Springt jetzt auf, oder der letzte Zug, der die Stadt verlässt, fährt ohne euch!', und als Fan seiner Alben wollte ich etwas Ähnliches versuchen. Das Gleiche gilt ja auch für 'Tonight's The Night" von Neil Young, Van Morrisons "Astral Weeks" oder neuere Sachen von Gillian Welch oder Howe Gelb - also genau die Platten, die ich gerne höre! Es ist allerdings interessant, dass ich bis heute gebraucht habe, um das selbst in die Tat umzusetzen!"Neu ist auch, dass sich mit "Hickory Wind" von Gram Parsons, das Grant im Duett mit Cindy Wassermann singt, erstmals eine Coverversion auf einem Phillips-Album wiederfindet. "Ich habe immer eine lange Liste an Songs im Kopf, die ich gern mal covern würde, und manchmal brauche ich Wochen, bis ich sicher bin, dass ich den Text kann, und dann spiele ich sie trotzdem nur ein Mal. 'Hickory Wind' ist ja so etwas wie der heilige Gral im Alt.Country-Bereich, und von all den Songs, die Cindy und ich als Duett gesungen haben, bot sich dieser am meisten für die Platte an." Auf der letzten Tour spielte Phillips "Rock Of Ages" von The Band, was allerdings nicht heißt, dass er sich nur an Singer/Songwriter-Werke heranwagen würde. "Manchmal ist es eine echte Herausforderung, einen Song dein Eigen werden zu lassen", weiß Grant und ergänzt: "Gestern Abend saß ich zum Beispiel mit Cindy zu Hause und habe 'Love My Way' auf dem Banjo gespielt. Das klang wie ein alter Pionier-Song, aber ganz sicher nicht wie ein Stück der Psychedelic Furs!"
Weitere Infos: www.grantleephillips.com Foto: Cooking Vinyl