Es ist laut, polyphon in dem üppigen Kuppelbau, dem Haus der Kulturen der Welt, von den Berlinern volksmundig „Schwangere Auster“ genannt. Frauen und Männer in Tarnjacken sitzen an Laptops mit allerlei technischem Gerät, essen Kekse, reden und rauchen oder starren schweigsam, konzentriert auf ihre Bildschirme. Um sie rum: Videoprojektionen, Fernseher, Kabel, Journalisten mit Videokameras; trinkendes, parlierendes Publikum.
Es ist Transmediale in Berlin. Ein einwöchiges Medienkunst Festival, das in diesem Jahr zum 17. Mal stattfindet und seit Beginn kontinuierlich gewachsen ist. „Fly Utopia“, heißt das diesjährige Motto. Soziale Utopien in medialen Zeiten. Alles in allem, ein gewaltiges Sprachspiel innerhalb ambivalenter Begrifflichkeiten: Medien, Kreativität, Globalisierung, Vision. Die Mediengesellschaft scheint sich selbst nur aufzählend, arithmetisch erschlagend darstellen zu können. Künstler aus allen Richtungen des globalen Mediennetzwerkes stellen aus, zeigen Videos, machen Musik und diskutieren. Überhaupt wird über die Maßen viel geredet oder Reden gehalten. Es gibt Vorträge und Konferenzen, Diskussionen und Arbeitsgruppen zu Popkulturellen Themen. Eine Kunstbuchhandlung voll mit Theorie. Antonio Negri spricht über sein mit Michel Hardt verfasstes Buch „Empire“. Norman Klein spricht über Design usw..Abends finden in der Maria elektronische Konzerte statt. Auch hier fühlt man am Puls der Zeit mit medialer Gigantomanie: acht Tage und jeweils fünf bis sieben Künstler pro Abend, aus allen Himmelrichtungen performativer Elektronik mit der nötigen theoretischen Unter- und Überfütterung. Hervorzuheben sind in der gebotene Kürze zwei Darbietungen:
Christian Fennesz schafft als einer der Wenigen, das ursprüngliche Konzept der Ein-Mann-und-sein-Laptop Schau umzusetzen. Der Künstler verschwindet, löst sich auf in Musik. Staunend verfolgt man die musikalische Dramaturgie, fühlt sich ein in die Spannungen, entdeckt Einzelheiten, Feinheiten und große, grobe Strukturen. Die Zuschauerhaltung schwindet gänzlich und man wird reiner Zuhörer.
Schneider TM war an zwei Abenden zu bestaunen. Einmal mit seinem alten Mitstreiter Kpt. Michi.Gan und Schlagzeuger. Ein wirklich toller Popauftritt mit Hymnen, Tanz und guter Laune. Am zweiten Abend betrat er mit Ilpo Väisänen (Pansonic) zusammen als Angel die Bühne und bot eine unglaublich intensive, brachiale Rockperformance.
Die tausend anderen Begebenheiten zu schildern würde hier den Platz sprengen. Für Interessierte empfiehlt sich ein Blick auf die Homepage.
Weitere Infos: www.transmediale.de