Widdershins´, der Titel des neuen Albums von Grant-Lee Phillips, bedeutet, sich gegen den Uhrzeigersinn zu bewegen. Doch nicht nur deshalb ist das inzwischen 13. Album des 54-jährigen amerikanischen Troubadours ein Zeitzeichen. Seine neuen Lieder sind Schnappschüsse unruhiger Zeiten: kritisch, aber nicht ohne Hoffnung. „It means more to create than to destroy“, so lautet seine Botschaft.
25 Jahre sind inzwischen vergangen, seit das aufrührerische Debütalbum ´Fuzzy´ von Grant Lee Buffalo erschienen ist. Seitdem hat sich für den früheren Frontmann des explosiven amerikanischen Trios am Rande des Alternative-Rock-Universums eigentlich nicht viel verändert. Auch heute noch begreift Phillips trotz eines betont persönlichen Blickwinkels sein Songwriting als Handwerk, bei dem seine Storytelling-Songs mehr sind als nur vertontes Tagebuch. Neu dagegen ist das Tempo, mit dem er inzwischen arbeitet.„Der Schlüssel für mich ist heute, schnell zu arbeiten und mich so beim Texten gar nicht erst in kryptischen Formulierungen zu verstricken“, sagt er im Westzeit-Interview über seine Herangehensweise. „Inzwischen bin ich auch an einem Punkt, an dem die Songs für mich dann verwirklicht sind, wenn sie so unkompliziert wie möglich sind.“
Das gilt für ihn auch jenseits der Texte, deshalb entstanden die neuen Songs live im Studio.
„Bei meinen Platten geht es mir jetzt in erster Linie darum, eine tolle Performance einzufangen“, verrät er. „Zudem leben wir in einem politischen Klima, bei dem man nie weiß, was als Nächstes passiert und welche Bereiche als Nächste beschnitten werden.
Das weckt in mir den Wunsch, in Zukunft noch schneller zu arbeiten. Ich sehe heute einfach nichts mehr als selbstverständlich an.“
Mit den Songs auf ´Widdershins´ knüpft Phillips bisweilen an mahnende Beispiele aus der Geschichte – darunter Giordano Bruno, Marie Antoinette und die Berliner Mauer – an und unterstreicht damit, wie wenig neu die sozio-politischen Probleme sind, mit denen sich derzeit nicht nur in den USA viele Menschen konfrontiert sehen.
„Geschichte hat einen Hang zur Wiederholung, wie ein Schauspiel, das immer wieder aufgeführt wird“, glaubt er. „Die Schauspieler sind stets andere, aber die Charaktere, die sie verkörpern, sind ähnlich.“
Sich den daraus resultierenden Herausforderungen zu stellen, ist für ihn alternativlos:
„Es ist wichtig, der Realität ins Gesicht zu blicken, ohne zurückzuweichen, und die Kunst gibt uns die Möglichkeit dazu. Ich mag es, wenn sich Kunst um echte Dinge dreht, das ist mir lieber als reiner Eskapismus. Wenn ich darüber schreibe, wie beunruhigt ich über das bin, was in der Welt gerade vor sich geht, merkst du vielleicht, dass du nicht allein bist, und das Gefühl von Gemeinschaft nimmt unseren Sorgen ein Stück weit den Schrecken.“
Gleichzeitig weiß Phillips natürlich auch, dass Songs allein keine politischen Umwälzungen bewirken können.
„Musik kann den Lauf der Welt nicht verändern, das tun die Menschen“, ist er überzeugt. „Allerdings sorgen die Menschen nur dann für Veränderung, wenn sie aufmerksam sind, was meistens leider nicht der Fall ist. Sie müssen kurz vor dem Abgrund stehen, bevor sie aufwachen und sich der Dinge annehmen. Musik ist dabei ein Mittel, das zu kommunizieren, was bereits in unseren Herzen und unseren Gedanken ist.“
Aktuelles Album: Widdershins (Yep Roc Records)
Weitere Infos: www.grantleephillips.com