In Zeiten, in denen die Musik selbst in der Indiewelt immer gleichförmiger zu werden scheint, schwimmen caroline mit ihrem nun erscheinenden selbstbetitelten Debütalbum gegen den Strom. Mit Versatzstücken aus Post-Rock, Emo, Folk und minimalistischer Klassik zelebriert die achtköpfige Band aus London hypnotische Songs zwischen Zurückhaltung und Loslassen, die klingen, als seien sie einer längst vergessenen Epoche entsprungen. Dafür vereint die Band in ihrem Tun die Spontanität der Improvisation mit klaren künstlerischen Leitsätzen, wie Bandgründer Jasper Llewellyn im Westzeit-Interview verrät.
Caroline haben sich Zeit gelassen für ihren LP-Erstling. Zu Hause in der gleichen Londoner Art-Rock-Szene, der auch Acts wie Black Country, New Road oder Black Midi entstammen, kamen die drei Vordenker der Band, Casper Hughes, Mike O´Malley und Jasper Llewellyn, bereits vor rund fünf Jahren zum ersten Mal zum Jammen zusammen. Seitdem hat sich die Geschichte ihrer Band ebenso langsam entfaltet wie das oft auch ihre Lieder tun, dennoch waren die vergangenen Jahre auch ein beständiger Lernprozess.„In einer guten Kollaboration lernt man, dass man zusammenkommt, um an etwas zu arbeiten, was am Ende vollständig in gemeinsamem Besitz und kein Kompromiss ist, sondern tatsächlich größer als die Summe der einzelnen Teile“, ist Jasper überzeugt. „Als wir anfingen, hatten wir keinen Plan, keine Vorstellung davon, wie das Projekt klingen sollte. Es hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, nicht zuletzt durch das Hinzufügen weiterer Bandmitglieder, die ihre eigenen Einflüsse einbringen."
Trotz des gewissermaßen fliegenden Starts gab es dennoch immer wieder Songs, die sich als echte Meilensteine, als Wendepunkte für caroline erwiesen haben.
„Der Song ´Skydiving Onto The Library Roof´ war ein großer Wendepunkt in dem Sinne, dass er uns mit nicht getakteten und unregelmäßigen Rhythmen bekanntgemacht hat“, erinnert sich Jasper. „Das hat uns gezeigt, wie grundlegend Improvisationen für das gesamte Kompositionsdesign sein können und wieviel Spaß sie machen."
Das Ergebnis sind betont emotionale Songs mit bisweilem collagenartigen Charakter, die an anderer Stelle bereits mit den Gemälden von Jackson Pollock verglichen worden sind: scheinbar willkürlich in der Nahansicht, aber Teil eines beeindruckenden Ganzen aus der Vogelperspektive.
Obwohl der Sound mit der Anzahl der Bandmitglieder gewachsen ist, zeichnen sich viele Stücke von caroline durch dezente Zurückhaltung aus und klingen selbst trotz bis zu acht Musikerinnen und Musikern nie überladen.
„Ich schätze, das liegt daran, dass unser Credo lautet, dass in unseren Stücken nichts vorkommen soll, was keine notwendige Funktion hat“, sagt Jasper. „Wann immer wir einem unserer Lieder etwas hinzufügen, fragen wir uns zuerst: Ist es nötig? Allerdings geht es dabei nicht darum, zurückhaltend um der Zurückhaltung willen zu sein. Wir wollen lediglich jedem einzelnen Sound den Raum geben, den er braucht. Wenn etwas nicht benötigt wird, dann wollen wir es nicht dabeihaben."
Die Texte spielen derweil eine eher untergeordnete Rolle. Oft behaltet die Band sie nur wie eine weitere Facette, eine weitere Schicht eines Songs. Ausnahmen bestätigen dabei die Regel.
„Manchmal haben sie Priorität, etwa bei ´Natural Death´, dem letzten Song des Albums. Dort spielt der Text eine Art Vordergrundrolle, aber meistens sind die Texte wie ein Instrument: Mal will man es laut haben und mal leise, mal soll es strukturell sein und mal willst du, dass es irgendwie dominant ist“, erklärt Jasper.
Doch nicht nur die Musik von caroline entsteht mit viel Bedacht. Auch die ungewöhnlichen, sofort ins Auge stechenden Fotos, die alle bisherigen Veröffentlichungen zieren – die 12“-Singles ´Dark Blue´ und ´Skydving Onto The Library Roof´ und nun das selbstbetitelte Album – , stammen von der Band selbst.
„Bei den Bildern gibt es einen roten Faden, denn es handelt sich immer um leicht konstruierte Natursituationen oder Landschaftsszenen mit künstlichen Objekten, die wirken, als seien sie über die Bilder drübergelegt worden“, verrät Jasper. „Dort gibt es durchaus eine Korrelation mit der Musik, denn auch in den Bildern sieht man immer nur ein oder zwei Dinge, denen der angemessene Raum gegeben und die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch dort geht es darum, den leeren Raum auszunutzen.
Aktuelles Album: caroline (Rough Trade Records / Beggars Group / Indigo)
Weitere Infos: www.caroline.band