Die kalifornische Indie-Musikerin SASAMI Ashworth konnte bereits auf eine erfolgreiche Laufbahn als klassisch ausgebildete Filmkomponistin, Musiklehrerin und Keyboarderin des Rock-Ensembles Cherry Glazerr zurückblicken, als sie sich 2018 auch als Solo-Künstlerin selbständig machte. Kein Wunder, dass damals ihr selbst betiteltes Debüt-Album zugleich eine recht ausgefeilte musikalische Visitenkarte in Sachen Indie-Pop und eine Art vertontes Tagebuch wurde, in dem SASAMI ihre Selbstfindungsphase dokumentierte. Das nun vorliegende, zweite Album „Squeeze“ ist da schon von einem ganz anderen Kaliber. Denn indem das Album in der einbrechenden Pandemie-Phase entstand – in der inspirierende aktuelle Ereignisse ja Seltenheitswert hatten und SASAMI ihr musikalisches Coming Of Age mit dem Debüt-Album bereits abgehakt hatte - sah sie sich nach neuen Inspirationsquellen um und fand diese im Bereich der japanischen Mythologie und Fantasy.
Mittelbar hat das mit SASAMI's Herkunft als Tochter einer in Japan aufgewachsenen koreanischen Mutter zu tun – aber im Grunde genommen, ging es SASAMI um etwas ganz anderes, als sie sich entschloss, die mythologische Figur der „Nuru Onna“ zum Leitbild zu machen. „Nuru Onna“ heißt übersetzt „nasse Frau“ und bezeichnet eine Kreatur aus der phantastischen Riege der übernatürlichen Yokai aus der japanischen Folklore. Die „Nuru Onna“ ist teils Seeschlange und teils Frau, die ihre Opfer gleich einer Sirene ins Wasser lockt und dort zerquetscht. Das erklärt dann den Titel des Albums „Squeeze“, denn der Titeltrack des Albums - „Squeeze“ - bezieht sich ja auf die Situation in der die Nuru-Onna ihr Opfer zu Tode quetscht, oder?„Das ist definitiv ein Element des Album-Titels“, bestätigt SASAMI, „für mich ist der Albumtitel 'Squeeze' wie ein Rohrschach-Test.“
Es kommt also darauf an, was man als erstes sieht, bzw. wie man das dann interpretiert?
„Genau – es könnte entweder die Gewalt sein, oder aber eine Situation, in der man jemanden umarmt, oder man ist so verzweifelt, dass man den letzten Tropfen von etwas ausdrücken möchte. Ich wollte als Albumtitel ein Wort, dass der Hörer - auf welche Art auch immer – für sich interpretieren und auslegen könnte. Ich würde für mich sagen, dass es mir persönlich in diesem Zusammenhang am ehesten um das Ausdrücken des letzten Tropfes geht. Das Album ist ja sehr viel Phantasie-orientierter und nicht so autobiographisch wie das Debüt-Album. Die Elemente, die eher autobiographisch sind, sind dann die, wo es darum geht, mit jemandem eine Verbindung aufzubauen und eher versöhnlicher Natur. Wohingegen Songs wie 'Skin A Rat' oder 'Squeeze' jene sind, mit denen ich mich selbst aufrichten wollte."
Das sind dann auch die musikalisch rausten, lautesten und brutalsten Songs. Wie ist SASAMI denn auf die Idee mit den gehäuteten Ratten gekommen?
„Es gibt im Englischen diesen Spruch 'there's more than one way to skin a cat'“, erläutert SASAMI. (Das bedeutet, dass es mehr als eine Möglichkeit gibt, etwas zu tun). „Ich habe stattdessen deswegen die Ratten-Form gewählt, um die Brutalität dieser rattenartigen Leute in der Gesellschaft anzuprangern, die Dich ausnutzen, manipulieren oder verletzen wollen. Der Song ist eine Art Hymne der Selbstverteidigung und des Zurückschlagens. Mir ging es vor allen Dingen auch darum, die üblichen Geschlechterrollen, in denen Frauen ja oft die Opfer sind, umzukehren – was auch ein Grund ist, warum ich mich für die 'Nuru Onna' als Sinnbild entschieden habe."
Auf der Scheibe gibt es aber auch eine Cover-Version des Daniel Johnston Songs „Sorry Entertainer“. Warum hat SASAMI den ausgewählt?
„Dieser Song ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Song auf der akustischen Gitarre vorgetragen wie ein ganzes Orchester oder eine ganze Band klingen kann – je nachdem, wie man das macht“, führt sie aus, „als ich das Original hörte, fühlte sich das für mich an, als schaute ich mir eine Theateraufführung an, bei der ich aber gleich die Film-Adaption vor meinen Augen hatte. Ich wollte dann sozusagen meine Film-Version dieses Songs erschaffen – mit einigen Zutaten mehr wie Drums und E-Gitarre und sowas."
Dazu muss man wissen, dass SASAMI ganz eigene Vorstellungen davon hat, wie sie mit ihrem Medium – der Musik – interagiert. Auf „Squeeze“ passiert ja musikalisch so einiges, was SASAMI zuvor noch nicht gemacht hatte. Sucht sie explizit nach solchen Sachen?
„Für mich ist Musik-machen und ein Album zu komponieren ein wenig wie sprechen“, führt SASAMI aus, „jeder Tag bis dahin ist, wie seine Hausaufgaben zu machen und eine Sprache zu erlernen. Bis ich beginne, meine Musik aufzunehmen, höre ich also vor allem zu, wenn ich mit anderen Leuten arbeite und übe. Und wenn es dann an die Aufnahmen geht, versuche ich die Sprache und die Vokabeln, die ich bis dahin aufgeschnappt habe, anzuwenden – und zwar ohne das allzu sehr zu hinterfragen oder darüber nachzudenken. Ich vertraue dann darauf, dass der Song fertig ist, wenn er vom Arrangement zusammengehalten wird – ohne ihn dann allzu sehr zu analysieren."
Musik hat also ein Eigenleben für SASAMI?
„Defintiv“, erklärt sie, „Musik ist ein wenig wie Zutaten zum Essen. Du kannst mit denselben Zutaten viele verschiedene Dinge machen. Und wenn die Zutaten gut sind und Du sie nicht zu sehr vermengst, dann schmeckt das Essen höchstwahrscheinlich auch gut. Bei der Musik ist das ähnlich. Wenn Du einen Song schreibst und diesen nicht zu stark überarbeitest, dann sollte er die Menschen berühren. Meiner Meinung nach ist es dann Deine Aufgabe, dem Song am Ende nicht in die Quere zu kommen."
Wonach sucht SASAMI denn, wenn sie Songs schreibt – wenn sie nicht in bestimmten Genres oder Stilen tätig werden möchte?
„Mein Haupt-Ziel ist es auf jeden Fall, irgend eine Art von Gefühlen zu erzeugen. Wenn das Gefühl Traurigkeit oder Einsamkeit sein soll, dann versuche ich eben eine Art von musikalischem Klang zu finden, der Kühle, Isolation oder meditativ ist. Und wenn ich etwas Schockierendes oder etwas Aufregendes machen möchte, dann suche ich nach explosiven Sounds, die auf eine eher unerwartete Weise aufbereitet sind."
Wie arbeitet SASAMI heutzutage technisch?
„Nun – ich habe bei beiden Alben einen ähnlichen Prozess angewendet“, beschreibt SASAMI ihren Ansatz, „ich habe die Songs auf meinem I-Pad geschrieben und bin dann ins Studio gegangen um sie dort auf Band aufzunehmen. Der Demo-Prozess erfolgte dann also digital, während die Aufnahmen analog waren. Dabei habe ich die Hälfte des Albums in Ty Segall's Studio in Topanga Canyon aufgenommen und er spielt auch auf einigen Tracks mit und produzierte die rockigeren Sachen. Dann habe ich noch einen Song mit der Londoner Punk-Band No Hope aufgenommen und habe Dirk Verbeuren, den Drummer von Megadeth eingeladen, die heftigen Drumparts zu übernehmen – während der legendäre Jazz- und Studio-Drummer Jay Bellerose und Vagabon auf dem letzten Track 'Not A Love Song' mitspielten. Meine Freundin Patti Harrison, Meg Duffy von Hand Habits und Christian Lee Hutson (ein Nachbar von Ty Segall) spielen ein wenig Gitarre. Kyle Thomas von King Tuff half bei der Tontechnik aus und spielte Bass. Wenn man als Solo-Künstler arbeitet, hat man halt die Möglichkeit, seine 'Orchestermitglieder' kurzfristig hinzuzuholen."
Auf ihrer facebook-Seite postete SASAMI zuletzt ein Selfie mit David Lee Roth. „Oh ja – ich habe ihn neulich getroffen“, meint SASAMI, „wenn man in Los Angeles lebt, bringt das eine Menge solcher zufälligen Begegnungen mit sich. Gespielt habe ich aber noch nicht mit ihm.“
All diese Komponenten führten dann dazu, dass „Squeeze“ zu einem kunterbunten Potpourri an Stilen, Genres, Stimmungen und Geschichten wurde, bei dem SASAMI ihre musikalischen Vorlieben zwischen den extremen Polen Klassische Musik auf der einen und Nu-Metal auf der anderen auslebt. Sie selbst veranlasst das zu der Aussage:
„Ich finde, dass dieses Album für jeden etwas zu bieten hat.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
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Aktuelles Album: Squeeze (Domino) Vö: 25.02.
Foto: Thomas Huang