Esther Rose begann ihre Laufbahn als Songwriterin 2017 erst relativ spät im Alter von 28 Jahren. In ihrer langjährigen Heimat New Orleans spielte Esther ihre erste LP „This Time Last Night“ ein, die sie weiland noch im klassischen Alt-Country-Setting anlegte. Mit der zweiten LP „You Made It This Far“ von 2019 und der Covers-EP „My Favorite Mistake“ öffnete sie sich musikalisch allmählich auch folkigeren, poppigen und rockigen Sounds gegenüber. Mit ihrem ambitioniertesten neuen Album „How Many Times“ setzt sie sich am weitesten von den ursprünglichen, orthodoxen Country-Roots ab – was auch daran liegen mag, dass sie mit dem Pop-Produzenten Ross Farbe zusammen arbeitete.
Was allerdings allen drei Alben gemein ist, ist der humorvolle Ton, mit dem sie ihre genau beobachteten Kitchen-Sink-Dramen und Road-Stories inszeniert. Und dabei geht es gar nicht darum, dass die Geschichten von denen Esther berichtet, immer besonders lustig sind. Es ist nur so, dass Esther mit einer grundsoliden, positiven Einstellung an die Sache herangeht und Gutes und Schlechtes gleichermaßen in ihren Songs verarbeitet.„Nun, ich bin zunächst mal froh, dass Du das so raushörst“, meint Esther, „denn als Songwriterin mache ich mir manchmal schon sorgen, dass es zu langsam oder zu langweilig sein könnte, was ich schreibe. Es ist aber so, dass ich das Publikum schon im Hinterkopf habe, wenn ich meine Songs schreibe – und in New Orleans besteht mein Publikum oft aus Tänzern. Die Leute tanzen hier halt gern. Also achte ich immer auf den Rhythmus in meinen Songs. Viele Pop-Songs sind ja zuweilen auch sehr traurig – haben aber einnehmende Grooves. Für mich gibt es da also keinen Widerspruch.“ Nun ja – vielleicht ist es Esther ja auch einfach Wichtig, ernste Themen mit einer Prise augenzwinkernden Humors zu würzen? „Nun, ich denke, dass ein Song schon amüsant sein sollte“, räumt Esther ein, „und manchmal lache ich lieber über etwas, anstatt zu weinen. Wenn man seinen Sinn für Humor verliert, dann ist das Leben doch im Grunde vorbei, oder? Das ist für mich das Wichtigste.“
Wie hat Esther in einem so abgesteckten Genre wie der Country-Musik eigentlich ihre eigene musikalische Identität gefunden?
„Es mag sich komisch anhören, aber ich bin so mit der Musik verbunden, die ich mache, dass ich ganz schnell all die anderen Esther Roses und die ganze Konkurrenz vergessen kann, die man über die Google-Suche so finden kann“, meint Esther trotzig, „wenn ich kreativ sein kann, dann reicht mir das.“
Was ist denn dann die Herausforderung als Songwriterin?
„Nun da muss ich einräumen, dass meine Furcht davor überwinden musste, in meinen Songs meine Seele bloßzulegen, bevor ich überhaupt daran denken konnte, einen verdammten Song zu schreiben“, gesteht Esther, „als ich das erst mal überwunden hatte, ist es zwar nicht gleich einfacher geworden, aber mein Selbstvertrauen ist gewachsen und der Wunsch meine Erfahrungen mit anderen teilen zu können, wuchs dann auch einfach. Und heutzutage fühle ich mich zwischen nachdenklicher Einsamkeit, Schreiben und dem Teilen mit den Medien ganz wohl. Das ist ein seltsamer Dualismus, nicht? Ich bin eine schüchterne Person und ich mag es eigentlich mit meinen Gedanken alleine zu sein. Das musste ich erst mal verinnerlichen.“
Ist es eigentlich wichtig, an welchem Ort Esther ihre Songs schreibt? Es gibt da ja zum Beispiel die Geschichte, dass Esther den Song „Good Times“ in einer Autowerkstatt geschrieben hatte – gerade nachdem ihr Motor den Geist aufgegeben hatte.
„Also das geht zurück auf diesen Leitsatz über das Songwriting, an den ich wirklich glaube“, berichtet Esther, „und der heißt, dass man in jedem Augenblick gegenwärtig sein sollte. Und wenn das passiert – egal ob das während einer Panne am Straßenrand oder wo auch immer ist – dann durchdringst Du ganz schnell den Traum der alltäglichen Realität. Wir gehen ja alle irgendwie mit unseren Checklisten durch das Leben und wenn dann irgend etwas Außergewöhnliches passiert, dann passe ich genau auf. Und ich habe mir versprochen, immer genau aufzupassen, als ich mich mit 28 auf diese Reis begeben habe - denn bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich eben nicht genau aufgepasst. Solche Momente passieren ja jedem mal sowas und wir, als Schreiber, haben die Aufgabe so etwas einzufangen.“
Künstler haben also in dieser Hinsicht eine gewisse Verpflichtung, oder?
„Ja, das erinnert mich an etwas, was Nina Simone ein mal gesagt hat“, pflichtet Esther bei, „sie sagte nämlich sinngemäß: 'Wie kann ich denn etwa nicht die Zeit widerspiegeln' – und das finde ich wunderschön.“
estherrose.net/ Aktuelles Album: How Many Times (Full Time Hobby / Rough Trade) VÖ: 26.03.
Foto: Galin Foley