Als die in Baltimore aufgewachsene, aber in Hamburg lebende und arbeitende Überraschungsmusikerin Sophia Kennedy 2017 ihr selbstbetiteltes Debüt-Album veröffentlichte (das sie mit Hilfe von Mense Reents von den Goldenen Zitronen realisierte), schlug das zwar bei interessierten musikalischen Querdenkern ein wie eine Bombe – irritierte aber aufgrund des geradezu überquellenden musikalischen Ideenreichtums manchen Normalhörer dann vielleicht eher. Überquellende musikalische Ideen gibt es dann zwar auch auf dem nun vorliegenden, zweiten Album „Monsters“ immer noch zu Hauf – allerdings werden diese von Sophia und ihrem musikalischen Mitstreiter Mense Reents in überwiegend zugänglichen, poppigen Strukturen sortiert, eingefangen und gezähmt.
Dabei sind wir übrigens auch schon beim Thema des Albums. In einem netten Video-Teaser, den Sophia zur Ankündigung des Albums ins Netz stellte, sieht es zwar so aus, dass ihr Klavier eines der besungenen Monster sei – das täuscht aber. Denn zum einen spielt das Klavier auf dem neuen Album eine weniger ausgeprägte Rolle als auf dem Debüt-Album (oder Sophias Live-Shows) und zum anderen, ist die Idee mit den Monstern sehr viel universeller angelegt, wie uns Sophia erklärt.„Alle Stücke auf dem neuen Album sind irgendwie so eigene Planeten, eigene kleine Kosmen, die ihrer Pflege bedürfen“, erläutert Sophia, „oder eben kleine Monster. Das beschreibt irgendwie ganz gut die Albumproduktion – wo jeder Song so seinen eigenen Konflikt hatte. Man musste die Monster quasi bändigen, damit sie in ihre richtige Form kommen."
Hm. Zugegebenermaßen sind die neuen Tracks ja deutlich zugänglicher und poppiger als vieles, was sich auf dem ersten Album findet – allerdings hören sich gar nicht so an, als seien sie besonders gebändigt.
„Na ja – das ist dann natürlich auch die große Kunst der Popmusik“, lacht Sophia, „dass dann alles mit Leichtigkeit aufgenommen wird. Was dann dahinter steht – also die abgründige, dunkle Welt – bekommt man dann gar nicht mehr so richtig mit."
Wer schon mal ein Konzert von Sophia Kennedy (und Mense Reents) gesehen hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass es Sophia auf der Bühne gar nicht um den Aspekt des Bändigens geht, sondern um den des ergebnisoffenen Auslotens von Extremen. Wie sieht das denn bei einer Studioproduktion aus: Gibt es da ein Ziel, auf das Sophia hinarbeitet?
„Neee“, meint Sophia überraschend eindeutig, „das Konzept des Albums an sich ist mir dann schon Ziel genug. Ich setze mich da jetzt nicht hin und sage mir, dass ich da bestimmte Themen abarbeiten muss."
Dann zögert sie einen Moment und fügt dann hinzu:
„Obwohl – nach dieser Produktion dachte ich mir dann: 'Warum eigentlich mal nicht?'. Ich hatte mich bisher nämlich immer dagegen gewehrt, weil ich mir dachte, dass ihre Musik ihre Zeit braucht und ich mir diese dann auch nehmen muss. Dabei muss ich dann organisch auf das reagieren, was um mich herum passiert und so denke ich mir das vorher dann nicht aus – das geschieht dann einfach so."
Das hört sich an, dass für Sophia – sowohl auf der Bühne, wie auch bei der Studioproduktion – der Weg das Ziel ist. Ist das eine richtige Wahrnehmung?
„Also ich würde sagen, dass der Umweg das Ziel ist“, meint Sophia, „die Umwege führen dann nämlich oft zu einem Ziel, von dem man noch gar nichts weiß. Der Umweg ist für mich deswegen oft immer sehr interessant."
Ist das vielleicht auch der Grund, warum es auf dem neuen Album noch weniger konventionelle musikalische Bestandteile – wie zum Beispiel das Klavier - gibt?
„Nun ja, ein wenig Klavier ist ja schon noch drauf“, überlegt Sophia, „aber wenn man die Stücke jetzt herunterbricht, dann sind sie viel songhafter als auf dem Debüt. Wir haben die klassische Instrumentierung halt weggelassen und durch elektronische und atmosphärische Sound-Strukturen und -Texturen ersetzt."
Kommen wir mal zu den inhaltlichen Aspekten: Sowohl in Sophias Texten wie auch in den Videos offenbaren sich offensichtlich mehre Persönlichkeiten – oder doch zumindest verschiedene Facetten einer Persönlichkeit. Ist sich Sophia vielleicht nicht selbst genug?
„Ja – ich spiele grundsätzlich zunächst mal mit meiner Stimme, mit der ich dann verschiedene Perspektiven einnehme oder diese auch gestalte", führt Sophia aus, „ich kann dann mal sehr tief sein mit der Stimme – oder auch mal große Crooner-Momente ausleben, weil das ja auch eine gewisse Widersprüchlichkeit ausdrückt."
Ja – aber sind das denn nun verschiedene Persönlichkeiten, die da ausgelebt werden – oder hat Sophia einfach Spaß daran, in immer wieder neue Rollen zu schlüpfen?
„Ich bin da immer ein bisschen vorsichtig“, zögert Sophia, „weil ich ja keine Schauspielerin bin, die einfach in andere Rollen schlüpft, sondern ich glaube, das sind schon Facetten. Ich glaube auch, dass ein Gefühl sehr komplex sein kann – dass es nicht immer nur 'traurig' oder 'fröhlich' gibt, sondern dass es da unterschiedliche Schattierungen gibt und die versuche ich mit meiner Stimme dann auch zu zeigen. Und zwar in der Art, wie ich singe. Ich frage mich schon vor jedem Stück, mit welcher Haltung ich das singen soll, oder wer es jetzt gerade sing oder aus welcher Perspektive. Daher kommt dieser Eindruck dann."
Das mit den Persönlichkeitsfacetten gilt wohl auch für die Videos, oder
„Genau“; bestätigt Sophia, „vieles in den Videos entspringt meinen Ideen. Manchmal geht es aber auch um etwas anderes. Das Video zu dem Song 'I Can See You', das ich mit dem Regisseur Timo Schierhorn gemacht habe, ist ja zum Beispiel ein Re-Enactment einer Szene aus dem Spielfilm 'The Wolf On Wallstreet'."
In dem Film von Martin Scorsese gibt es eine Szene, in der Leonardo die Caprio zu seinem Lamborghini kriecht.
„Genau", bestätigt Sophia, „diese Szene ist inzwischen in der Popkultur verankert und schon auf verschiedene Weise neu interpretiert worden. Und Timo hatte schon lange die Idee, das als Musikvideo zu machen."
Was ist in dem ganzen Prozess für Sophia als Kapitänin die größte Herausforderung?
„Eigentlich alles", gesteht sie, „leicht fällt mir das alles überhaupt nicht. Ich habe immer sehr hohe Ansprüche an mich selber und ich möchte auch, dass die Musik für mich und auch für die Hörer aufregend ist. Ich möchte, dass sie eine Welt ist, die interessant bleibt, sich nicht so schnell erübrigt und aus der man viel schöpfen kann. Die große Herausforderung ist für mich dann alles: Die Songs zu schreiben, zu komponieren, produzieren und aufzunehmen und auch noch sich live als Musikerin zu behaupten. Das fällt mir auch deswegen nicht leicht, weil ich ja in dem Sinne keine geschulte Musikerin bin, die das gelernt und studiert hat. Das ist für mich dann immer eine sehr anstrengende, aber auch eine aufregende Arbeit. Langweilig wird mir auf jeden Fall nicht."
Aktuelles Album: Monsters (City Slang / Universal) VÖ: 07.05.
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Titel: Benjakon
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