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THE WATERBOYS

Keine Zwangsjacke, bitte!

THE WATERBOYS

Nachdem Mike Scott zuletzt mit seinen Alben ´An Appointment With Mr. Yeats´, ´Modern Blues´ oder ´Out Of All This Blue´ bestimmte inhaltliche Konzepte zu verfolgen schien, überrascht er jetzt damit, dass er darauf besteht, das neue Album ´Where The Action Is´ einfach nur eine lose Songsammlung sein soll. Das äußert sich zum Beispiel dadurch, dass Mike hier stilistisch und inhaltlich so ziemlich alles auffährt, was er in seiner langen Laufbahn als Frontmann der Waterboys im Laufe der Jahre so angesammelt hat.

„Ich habe eigentlich überhaupt keine Konzepte“, überlegt Mike denn auch, „die Sache mit Yeats habe ich schließlich 20 Jahre mit mir rumgetragen, bis ich sie mal realisierte. Mein Radar als Songwriter ist aber immer für alles offen.“

Das führt dann wohl automatisch zu einer Vielzahl von Themen und Ansätzen oder?

„Klar – denn wenn ich etwa höre oder lese oder sogar wenn ich etwas falsch verstehe – wie 'Love Will Shoot You Down' vor einigen Jahren, dann mache ich daraus einen Song“, bestätigt Mike diese Annahme, „mir geht es immer darum, etwas zu tun, was ich vorher noch nicht gemacht habe. Wichtig ist dabei, immer wieder etwas Neues auszuprobieren und vor allen Dingen nicht mit der erstbesten Idee zufrieden zu sein. Nimm z.B. 'Right Side Of Heartbreak' von der neuen Scheibe: Hier hatte ich zuerst den Titel, dann habe ich Musik dazu gemacht, die ich selbst langweilig fand, weil sie wie ein altes Waterboys-Stück klangen und dann so lange herumprobiert, bis ich dann diese funky Akkorde gefunden habe, die Du jetzt auf dem Album hörst – weil das etwas Neues für mich ist, dass ich zuvor noch nicht gemacht hatte.“ Das führt dann wiederum dazu, dass Waterboys-Scheiben – und insbesondere diese neue – stilistisch gar nicht mehr zu fassen sind. Vermutlich sind Begriffe wie „Stil“ oder „Genre“ für Mike auch nicht ausschlaggebend, oder?

„Absolut nicht“, pflichtet er bei, „ich wäre sogar ziemlich glücklich, wenn mir nie wieder jemand mit einem Genre käme. Genres sind wie Zwangsjacken. Ich hatte neulich eine interessante Konversation auf Twitter. Da ging es einen Rap-Künstler, der eine Country-Scheibe gemacht hat – und der konnte nicht in die Billboard-Country-Charts kommen, weil er ein schwarzer Hip Hop Künstler ist. Das ist alles Blödsinn mit diesen Genres. Wenn wir alle in unseren Genre-Kategorien blieben, dann hätte es den Rock'n'Roll nie gegeben, denn Elvis hätte niemals schwarze Musik gesungen. Und Ray Charles hätte niemals Country-Musik gemacht. Es ist dem Genie gewisser Leute zu verdanken, die sich nicht um Genres scheren, dass wir diese Musik überhaupt zu hören bekommen.“

Eine Einschränkung diesbezüglich hat Mike dann aber doch: „Ein Genre, mit dem ich leben kann ist 'Soul', weil sich dadurch wahre Gefühle ausdrücken. Welche Genre-Bezeichnung ich aber richtig hasse ist 'Folk-Rock' – denn das ist für mich sowas wie die Byrds, die 'Mr. Tambourine Man' singen und nicht das, was die Waterboys machen oder jemals gemacht haben.“

Obwohl es ja Folk-Elemente in der Musik der Waterboys gibt.

„Ja und auch Rock-Elemente und alles andere auch. Folkrock beschreibt nur zwei der Aspekte der Waterboys – und ignoriert alle anderen. Mich macht das jedenfalls nicht glücklich.“

Das Ergebnis dieser Weltsicht ist dann eine „typische“ Waterboys-Scheibe mit einem bunten Potpourri aus autobiographischen, fiktiven und von der Poesie inspirierten Songs, die musikalisch die ganze Waterboys-Bandbreite bieten – und sogar mit Experimenten in Sachen Hip Hop und Elektronik überraschen. Was hält – nach Mikes Meinung – dies alles dann am Ende zusammen? Eine direkte Botschaft für seine Fans scheint Mike ja gar nicht zu haben.

„Doch - meine Songs sind sogar voller Botschaften“, widerspricht Mike, „aber nicht auf einer politischen oder persönlichen, sondern auf einer poetischen Ebene.“

Dem ist eigentlich ja nichts hinzuzufügen. Im Herbst gehen die Waterboys wieder bei uns auf Tour.

Aktuelles Album: Where The Action Is (Cooking Vinyl / Sony) VÖ: 24.05.

Foto: Xavier Mercade

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